Buchenwald

Mit Objekten aus der KZ-Zeit digital lernen – wie funktioniert das?

Die WebApp „Dingen auf der Spur“ ist eine neue Möglichkeit, sich online auf einen Besuch der Gedenkstätten Buchenwald und Sachsenhausen vorzubereiten.

Viele Lehrer:innen, Gruppenbegleiter:innen und Organisierende kennen das Szenario: Der Besuch in einer KZ-Gedenkstätte steht bevor. Sie wissen, dass eine Vorbereitung dieses Besuchs wichtig ist. Denn die historischen Orte provozieren viele Fragen und Unsicherheiten. Oft gibt es Erwartungen der Besucher:innen zu dem, was sie dort sehen oder fühlen werden. Mit kaum einem anderen außerschulischen Lernort werden so viele, häufig diffuse Bilder und Wissensfragmente assoziiert. Wie also kann eine Vorbereitung auf den meist kurzen, aber intensiven Besuch gelingen? Wie findet man die Zeit für ein Gespräch vorab oder eine Einführung in die Geschichte der Lager in den knapp bemessenen Schulstunden? Wo soll man anfangen? Seit Februar 2023 bieten die Gedenkstätte Buchenwald sowie das Museum und die Gedenkstätte Sachsenhausen als Ergebnis ihres gemeinsamen Digitalisierungsprojekts eine neue Möglichkeit zur Vorbereitung dieses Besuchs an: die WebApp „Dingen auf der Spur“.

Digitales 3D-Modell einer Häftlingsmarke
Häftlingsmarke von Margit Fürst, die das Außenlager Lippstadt überlebte. Ansicht als 3D-Modell zum Thema „Hierarchie“
https://dingenaufderspur.de/objekte/haftlingsmarke

Die Gedenkstätten Buchenwald und Sachsenhausen sammeln Objekte, die mit der Geschichte der Konzentrationslager verbunden sind. Im Jahr 2022 gibt es allein in der Gedenkstätte Buchenwald über 22.000 solcher Objekte, die in der archäologischen und musealen Sammlung sowie in der Kunstsammlung dokumentiert sind. Es sind materielle Zeugnisse, durch die eine Beschäftigung mit der Geschichte der historischen Orte möglich wird und die in den Ausstellungen und Bildungsangeboten vor Ort genutzt werden. Doch wie kann eine solche Beschäftigung auch online und damit für eine große Anzahl interessierter Personen ermöglicht werden? Im Herbst 2021 erhielt ein Team Studierender der HPI School of Design Thinking an der Universität Potsdam von den Gedenkstätten den Auftrag, nach Antworten auf diese Frage zu suchen. Die Aufgabe an die Studierenden lautete: „Gestaltet einen Online-Auftritt für die digitalen Sammlungen der Gedenkstätten Sachsenhausen und Buchenwald, der für alle Besucher:innen (insbesondere Jugendliche) zugänglich ist und die historischen Stätten und Ausstellungen mit einem virtuellen Lernerlebnis verbindet!“

Studierende des HPI arbeiten mit einem Design-Thinking-Ansatz, um Lösungen für eine „Challenge“ zu finden. Design Thinking umfasst als Methode nicht allein klassisches Design, Formgestaltung und technische Machbarkeit. Im Zentrum des Prozesses stehen vielmehr die künftigen Anwender:innen. Dazu ist es in den verschiedenen Phasen des Entwicklungsprozesses sehr wichtig, sich fortlaufend mit allen Beteiligten und mit den Zielgruppen über Ideen und Zwischenergebnisse auszutauschen. Die Studierenden begannen zunächst, verschiedene Wünsche und Bedürfnisse genauer zu erforschen. Sie besuchten die beiden Gedenkstätten und ihre historischen Sammlungen, sprachen mit Historiker:innen und Mitarbeiter:innen der Bildungsabteilungen, dokumentierten ihre Beobachtungen und reflektierten ihre eigene Annährung an die historischen Orte. Sie führten zudem Interviews mit den künftigen Anwender:innen: Schüler:innen, Lehrer:innen und Besucher:innen der Gedenkstätten. Bald war das übergreifende Konzept klar: Eine Online-Anwendung, in der eigene Interessen der Anwender:innen berücksichtigt werden, die neugierig macht, spielerische Elemente enthält und historische Objekte in Erzählungen über die Häftlinge und Themen der Lagergeschichte einbettet.

App-Ansicht: Quiz am Anfang der WebApp (Interessenerfassung der User:innen) mit dem Bild eines Gaming-Controllers
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Screenshot aus dem Quiz am Anfang der WebApp, bei dem die Interessen der Nutzer:innen zu den Objekten gematcht werden.
https://dingenaufderspur.de/
App-Ansicht: Bild eines Brotwürfels, darunter Informationen zu diesem
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Auszug aus der Objektgeschichte über einen Brotwürfel aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen.
https://dingenaufderspur.de/objekte/brot-statt-spiele

Im Frühjahr 2022 übergaben die Studierenden ihr Konzept mit dem Arbeitstitel „Erinnerungsspuren“ an die beiden Gedenkstätten. Damit war die Grundlage für die technische Entwicklung und die Auswahl der Geschichten für die Anwendung gelegt, bei der die Gedenkstätten mit dem Designbüro „Zum Kuckuck“ aus Würzburg zusammenarbeiteten. Es galt zunächst abzustimmen, welche Themen, Biografien und Objekte in der Anwendung präsentiert werden sollten. Entscheidend war dafür die Idee, keine Enzyklopädie zur Geschichte der beiden Konzentrationslager zu erstellen, sondern bewusst einzelne wichtige und spannende Aspekte herauszugreifen. Relevanter als die Vermittlung eines möglichst großen Wissensbestandes war es, eine Sensibilität für die Geschichte der historischen Orte zu schaffen und zu Fragen anzuregen, die bei einem Besuch oder durch die Nutzungen anderer Bildungsangebote beantwortet werden können. Die für die Anwendung ausgewählten Objekte verweisen so auf Themen wie Außenlager, Zwangsarbeit, Freundschaft, Hierarchie oder den Alltag der Häftlinge und sollen eine Vertiefung zu diesen Themen ermöglichen.

Zudem galt es im Entwicklungsprozess, die Konzepte der Berücksichtigung eigener Interessen von Nutzer:innen und des spielerischen Zugangs in ein Navigationsprinzip umzusetzen, mit dem Anwender:innen intuitive Wege durch die verschiedenen Geschichten finden können. Zu diesem Zweck beginnt die Anwendung mit einem Quiz, das mit wenigen Fragen alltägliche und gegenwärtige Interessen mit den historischen Objekten zusammenbringt. Die verschiedenen Objekte und Geschichten sind Themen und Tags zugeordnet, die eine solche Verknüpfung ermöglichen. Viele der Geschichten verweisen auf weitere Quellen aus den Beständen der Gedenkstätten, enthalten Originaltöne oder Videos sowie interaktive Elemente wie Multiple-Choice-Fragen oder Transkriptions-Aufgaben zu Auszügen aus handschriftlichen Quellen. Prinzip der Anwendung ist es, multimedial abwechslungsreiche Geschichten zu erzählen, aber auch die Anwender:innen nicht zu überfordern. Hinzu kommen ein Glossar zu schwierigen oder unbekannten Wörtern, erklärende Tutorials zur Bedienung in der Anwendung und in klarer Sprache formulierte Texte. Die Balance zwischen Wissensvermittlung und Aufmerksamkeitsspannen der potenziellen Anwender:innen haben wir in vielen Tests zusammen mit Student:innen und Schüler:innen ausgelotet, deren Einbeziehung in den Entwicklungsprozess elementar war. Denn was bringt eine modern designte und historisch kontextualisierte Präsentation von digitalen Objekten, wenn die potenziellen Zielgruppen damit nichts anfangen können?

In „Dingen auf der Spur“ können Objekte aus den Sammlungen spielerisch-forschend und medial ansprechend erkundet werden. Viele der vorgestellten Objekte werden als 3D-Ansichten bereitgestellt. Die verschiedenen Geschichten der Objekte und die mit ihnen verknüpften Themen und Biografien ermöglichen eine neue Form der Annäherung an die historischen Orte der Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen. Die App passt sich den Interessen der Nutzer:innen an, sodass eine individuelle Lernerfahrung stattfinden kann. Sie regt zu eigenen Fragen zu den materiellen Überresten der Lager an. Es braucht weder umfangreiche Vorkenntnisse noch besondere technische Ausstattung, um auf diese digitale Spurensuche zu gehen – ein Smartphone oder Computer mit Internetzugang reichen aus. Am besten funktioniert „Dingen auf der Spur“, wenn man einfach drauflosklickt. Auch die Gestaltung einer besuchsvorbereitenden Schulstunde ist mit der WebApp möglich. Mehr Informationen dazu gibt es im Tutorial.

Lisa Rethmeier arbeitet als Bildungsreferentin in der Gedenkstätte Buchenwald und ist Ansprechpartnerin für die WebApp „Dingen auf der Spur“.

Markus Wegewitz ist Koordinator des Digitalisierungsprojekts der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.


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