Schwerpunkt

„Die Arbeit hat mich meines echten, körperlichen Manneswertes beraubt.”

Der männliche Körper und die Zwangsarbeit

Bis zum 30. September 1944 mussten fast 1,4 Millionen Polinnen und Polen Zwangsarbeit für das nationalsozialistische Deutschland verrichten – davon waren fast 66 Prozent Männer. Etwas über zwei Drittel (68 Prozent) von ihnen arbeiteten in der Land- und Forstwirtschaft, 18 Prozent in der Industrie und die restlichen 14 Prozent in anderen Bereichen wie dem Bergbau, der Bauwirtschaft oder im Dienstleistungssektor.1 In diesem Text soll behandelt werden, auf welche Weise die männlichen polnischen Zwangsarbeiter ihre Körper und Körperlichkeit wahrnahmen: Inwiefern konnte ihr Körper während der Zwangsarbeit Träger ihrer „männlichen“ Identität sein und bleiben? Wie reagierten die Zwangsarbeiter auf Ermüdung, Krankheiten und physische Verletzungen? Wie veränderten sich ihre Körper und welche Emotionen empfanden sie, wenn sie diese Veränderungen beobachteten?

Obwohl Untersuchungen zur Männlichkeit und männlicher performances2 bezüglich des kulturellen Geschlechts im soziologischen, literaturwissenschaftlichen und historischen Diskurs seit den 1990er-Jahren vorliegen, gibt es bisher keine Überlegungen zu den Erfahrungen polnischer Männer, die Zwangsarbeit leisten mussten. Vor diesem Hintergrund soll hier ein Vorschlag gemacht werden, auf welche Weise eine Reflexion über die Männlichkeit polnischer Zwangsarbeiter vorgenommen werden könnte. In Erinnerungsberichten von Polen lassen sich vielfältige „Depositorien von Männlichkeit“ – in der Vorstellung existierende „Geheimfächer“, die Attribute und Identitäten umfassten, aus denen die Zwangsarbeiter ihr Selbstbild konstruierten und die es ihnen erlaubten, ich als männlich wahrzunehmen – feststellen. Eines dieser Depositorien, mit dem die Männer zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden, war ihr Körper – gemeint als gesunder, leistungsfähiger und starker Körper, der seit den Anfängen der Industrialisierung eines der wichtigsten Symbole von Männlichkeit darstellte. Andere Depositorien, die in den Erinnerungsberichten in Erscheinung treten und die hier nicht umfassend dargestellt werden können, sind etwa die polnische nationale Identität, die Rolle des Hüters und Beschützers oder die Rolle des Versorgers der Familie. Der Körper war wiederum ein Depositorium von Männlichkeit, das die polnischen Zwangsarbeiter durch die harte Arbeit und die schwierigen Lebensbedingungen verlieren konnten.

In ihren Nachkriegserzählungen bemühten sich die Schreiber der Erinnerungsberichte allerdings oft, die verloren gegangenen Depositorien von „Männlichkeit“ zurückzugewinnen. Indem sie etwa Beispiele von Situationen erwähnten, in denen sie sich gegen die deutschen Arbeitgeber aufgelehnt hatten, erlangten sie zumindest in ihren Erinnerungen ihre Handlungsfähigkeit und die Macht über ihr Leben zurück. Doch das Depositorium Körper war keineswegs jedes Mal zurückzugewinnen.Dieser Text basiert auf niedergeschriebenen Berichten aus dem Jahr 1946 (Wettbewerb des Westinstituts) und den Jahren 1964-65 (Wettbewerbe der Zeitschriften „Robotnik Rolny“ [Der Landarbeiter] und „Zielony Sztandar“ [Die grüne Fahne]), die jeweils aufgrund landesweiter Wettbewerbe für Erinnerungsberichte von Zwangsarbeitern entstanden. Die besten Berichte mit Erinnerungen und Erlebnissen aus der Zwangsarbeitszeit wurden mit Geldpreisen und mit Druckausgaben der Erinnerungen ausgezeichnet. Die hier aufgegriffenen Erfahrungen polnischer Zwangsarbeiter kann man, auch wenn sie nur auf der Grundlage von Erinnerungen einer recht kleinen Gruppe von Männern analysiert werden, als charakteristisch für eine bedeutsame Mehrheit jener Zwangsarbeiter, die harte körperliche Arbeit verrichten mussten, betrachten.

In der Regel bedeutete Zwangsarbeit körperliche Arbeit. Besonders im Falle von landwirtschaftlichen Zwangsarbeitern nahm die Frage nach der physischen Verfassung gleich am Anfang des Aufenthalts in Deutschland eine Bedeutung ein. Viele der Schreiber von Erinnerungsberichten erwähnten die für sie erniedrigenden „Sklavenmärkte“, auf denen die Bauern der umliegenden Dörfer Arbeiter für ihre Höfe aus der neu eingetroffenen menschlichen „Ware“ aussuchen konnten. Die künftigen Zwangsarbeiter bemerkten schnell, dass die Größten und Kräftigsten als erste ausgewählt wurden, während die Kleinsten und Schwächsten lange auf jemanden warten mussten, der sie beschäftigen wollte. Henryk Bartoszewski schrieb dazu:

 

„Aufgrund meiner armseligen Statur bei gerade einmal 45 kg Körpergewicht stellte ich keinerlei Wert dar, sodass es keine Kaufwilligen gab. […] Nachdem mich Herr […] Roppel […] betrachtet hatte, wandte er sich mit der Frage an den Beamten, warum er für einen solchen [kleinen] Scheißer (womit ich gemeint war) genauso viel zahlen solle, wie für einen großen.“3

In den Erzählungen von Bartoszewicz kehrt das Motiv der körperlichen Schwäche häufig zurück. Es erfüllte dabei gewöhnlich eine komische Funktion. In diesem Falle fügte er jedoch keinen selbstironischen Kommentar hinzu, als er die erniedrigenden Bemerkungen des Bauern erwähnte. Es liegt also nahe, dass er durch diese tatsächlich eine Verletzung erfuhr. Adam Chorążyczewski schrieb in ähnlicher Weise:

 

Ich [...] war der dünnste [...] und stand längere Zeit ohne Zuteilung für einen guten Arbeitsplatz bei einem Bauern herum. Am Ende, als alle anderen sich zu ihren Bauern begeben hatten und einen Platz im Waggon eingenommen hatten, stand ich weiterhin ratlos da, den Erniedrigungen meiner Unterdrücker ausgeliefert. Dies mit ansehen zu müssen, erfüllte mein Herz mit Verzweiflung und ohnmächtiger Wut.“4

 

Die Erlebnisse auf dem „Sklavenmarkt“ waren bereits für sich genommen für die Autoren eine Ursache der Erniedrigung. Die Herabsetzung verstärkte sich, wenn sie als einer der letzten – als „nicht allzu wertvolles Menschenmaterial“5 – ausgesucht wurden.

Das Thema körperlicher Schwäche kehrt in den Erinnerungen immer wieder auf. Beschreibungen unmenschlicher Anstrengungen sind besonders in Erzählungen, die von der Arbeit in der Landwirtschaft handeln, charakteristisch. Selbst jene Zwangsarbeiter, die kräftig und athletisch waren, bekamen die Schwere der ihnen aufgetragenen Arbeit schnell zu spüren: „Ich war auch kein Schwächling, aber nach der ganztägigen Arbeit fiel ich wie ein Holzklotz ins Bett“, erinnerte sich Władysław Ziarnik.6 „Schwer zu sagen, wie oft mir die Augen aus den Höhlen traten und eine Stange sich in meinen Arm bohrte“.7 „Ich plagte mich erbarmungslos. Ich konnte kaum die Beine rühren nach der täglichen Plackerei“.8 „Ich bin sehr müde, ich kann kein Brot herunterschlucken. Mir zittern die Hände, alle Muskeln schmerzen. Ich kann die Finger nicht ausstrecken“9 – schrieben die ehemaligen Zwangsarbeiter.

Doch war die Arbeit jedoch wirklich so schwer, wie die Autoren der Erinnerungsberichte sie beschreiben? Die Arbeit auf deutschen Bauernhöfen dauerte vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang, zumeist mehr als zwölf Stunden täglich und nur mit einer ein- bis eineinhalbstündigen Mittagspause. Die Arbeitszeiten deutscher und polnischer Arbeiter unterschied sich dabei nicht.10 Aus den Wettbewerbsbeiträgen selbst geht hervor, dass ein um 3.30 oder 4 Uhr aufstehender Zwangsarbeiter im Stall den deutschen Bauern antraf, der ebenfalls zu dieser Zeit auf den Beinen war. Zusätzlich setzten den Zwangsarbeitern fehlende oder vorgegebene Pausen und das schnelle Arbeitstempo zu. Wenn ein Zwangsarbeiter seine Pflichten nicht in der dafür vorgesehenen Zeit erfüllte, wurde er gegebenenfalls beschimpft, mit der Streichung von Lebensmittelrationen oder sogar durch körperliche Züchtigung bestraft. Zusätzlich erhielten polnische Arbeiter keine entsprechenden Schuhe oder Schutzkleidung – dort wo beispielsweise der Bauer mit hohen Lederschuhen ausgestattet war, musste der polnische Zwangsarbeiter in Holzschuhen arbeiten. Alles in allem resultierte die Erschöpfung der polnischen Zwangsarbeiter aus ihrer größeren Ausbeutung bei gleichzeitig schlechteren Lebensbedingungen und Lebensmittelrationen – und dies ausdrücklich unabhängig davon, dass die Arbeitszeiten und die Arbeitsaufgaben den Standards landwirtschaftlicher Arbeit in deutschen wie polnischen Dörfern der Vorkriegszeit glichen.

Nicht weniger erschöpfend war die Arbeit in der Industrie. Oft mussten die Zwangsarbeiter im Akkord arbeiten, der auf unerfüllbaren Normen beruhte. Zusätzlich drohten bei der Arbeit in der Industrie viele, teils schwere, gesundheitliche Konsequenzen. In Fabriken kam es zu Unfällen. Gliedmaßen konnten von Maschinen abgerissen werden, auch Todesfälle waren keine Seltenheit. Zwangsarbeiter waren oft auch ungeschützt giftigen Substanzen ausgesetzt, was ihre Gesundheit zerstörte. Nach einigen Monaten in der Landwirtschaft oder in der Fabrik bemerkten die Berichtenden Veränderungen an ihrem Körper. Nur wenige begrüßten diese mit Zufriedenheit: „Ich freute mich jedoch darüber, dass ich mehr Kraft und körperliche Energie entwickelte. Man muss anerkennen, dass die Arbeit beim Bauern diesen einen Vorteil hatte, dass der Mensch maskuliner wurde.“11 Die meisten beobachteten jedoch mit Erschrecken ihren zunehmenden körperlichen Verfall. „Ich fühlte mich, als ob ich nicht einmal die Kraft eines siebenjährigen Kindes hätte, am Ende konnte ich nicht einmal mehr die Kühe melken wie vorher“,12 erinnerte sich Józef Stankowski. Die Veränderungen waren auch für andere Menschen leicht zu erkennen. Als Kazimierz Cywiński von der Arbeit in den Urlaub fahren durfte, erkannte ihn seine Familie zunächst nicht wieder. „Ich kam zerlumpt und abgemagert zu Hause an“,13 schrieb er.

Körperkraft stellt eine der wesentlichsten Komponenten der kulturellen Vorstellung von einem Mann dar und war zugleich ein Depositorium von Männlichkeit, mit dem polnische Männer in die Zwangsarbeit fuhren. Ein Mann musste kräftig und leistungsfähig sein, um körperliche Arbeit zu verrichten und seine Familie vor Gefahren zu beschützen. Polen, die sich während der Zwangsarbeit mit dem Verlust ihrer Kräfte und der eigenen Schwäche konfrontiert sahen, stellten sich daher die Frage, ob sie weiterhin „ausreichend gute“ Männer seien.

Weiter fortgeschrittene körperliche Degeneration stellten die Schreiber der Wettbewerbsbeiträge am Beispiel anderer Zwangsarbeiter fest. Schockierende Krankheitsfälle und Verletzungen von Bekannten waren ein eingehendes Vorzeichen dessen, was sie in Kürze auch selbst bedrohen konnte. Tadeusz Kazior arbeitete in einer Fabrik, die Kunstwolle herstellte. Die Arbeiter dort kamen mit giftigem Kohlenmonoxid in Kontakt, das ihr Nervensystem angriff. Er schrieb:

 

„Vielen Kollegen waren von einer solchen Nervenlähmung der Beine betroffen, dass Gehen für sie lange Zeit eine Qual war. Sogar nach längerer Behandlung konnte keiner von ihnen normal die Beine bewegen, sie zogen diese nur mit Schwierigkeiten hinter sich her.“14

Schwarz-Weiß-Fotografie von polnischen Zwangsarbeitern, darunter Tadeusz Czerniak
»Wir waren kaserniert in Holzbaracken, jeweils 18 Personen in einem Saal. An jedem Samstag bekam einer der Kameraden einen Passierschein für die Stadt. Aber diese Stadtgänge waren gefährlich, denn die deutsche Jugend veranstaltete manchmal Spielereien, und wenn ein Pole auf dem Fußweg ging, wurde er mit Fäusten auf die Fahrbahn getrieben, von wo ihn wieder die Gendarmen auf den Fußweg jagten.« Tadeusz Czerniak (Zweiter von rechts) – 1941, polnischer
Zwangsarbeiter in Brandenburg
©Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“, Warschau

Mikołaj Sadowski wurde in einem Arbeitslager Zeuge  des physischen Verfalls seines Vaters:

 

„Ich war schwach, aber Vater war noch schwächer. Ich betrachtete ihn mit Schrecken, er war aufgequollen vom Hunger, konnte schlecht sehen, er war kaum in der Lage, die Felsbrocken zu ziehen, ständig fiel er hin, mit großer Mühe stand er auf, die Kollegen brachten ihn untergehakt von der Arbeit, weil er nicht aus eigener Kraft zum Lager gehen konnte. Ich wusste, dass Vater bald sterben würde, den gleichen Tod wie hunderte und tausende Vorgänger, und er mich allein in der Fremde hinterlassen würde, umgeben von fremden Leuten. Dieser Gedanke erfüllte mich mit Angst und Schrecken.“15

Die Zwangsarbeiter beobachteten vielfach, wie auch ihre eigenen Körper verschiedene Verletzungen und Unfälle erfuhren; sie sahen, wie ihre Gesundheit geschädigt wurde. Jerzy Nowicki bekam am Körper Geschwüre in der Größe von Taubeneiern.16 Stanisław Kulasik steckte sich bei einem Pferd mit Krätze an, eine Krankheit, die er selbst „beschämend und ekelerregend“ nannte. Er erinnerte sich, dass er aus Scham aufhörte, Kollegen zu besuchen, da er nicht wollte, dass sie ihn in seinem Zustand sahen. Er fürchtete auch, dass er Andere mit der Krankheit anstecken könnte.17 Dem Stereotyp zufolge sollte ein Mann nicht nur stark, sondern auch gesund sein. In der Zwischenkriegszeit wurde in Polen oft betont, wie wichtig es sei, auf Gesundheit und Lebensweise zu achten. Gesundheit sollte ein langes und glückliches Leben garantieren, sie beeinflusste vermeintlich auch die Attraktivität von Männern bei Frauen. Ein gesunder Mann war ein guter Vater und Ehemann, er stand für die Stabilität und Sicherheit seiner Familie. Der Verlust der Gesundheit war daher für Zwangsarbeiter gleichbedeutend mit dem Verlust ihrer Männlichkeitsvorstellung und rief Scham und Angst vor der Zukunft hervor.

Einige der körperlichen Verletzungen konnten geheilt werden, die Spuren vieler anderer blieben den Berichteschreibern für den Rest ihres Lebens erhalten. In den Berichten der Wettbewerbe kehren die Themen von Behinderungen und auch nach Kriegsende bleibenden Krankheiten stetig wieder. Henryk Bartoszewicz beschwerte sich über „eine chronische Entzündung der Sehnen der rechten Hand“, die vom jahrelangen Tragen der Milchkannen herrührte und die ihn „bis zum heutigen Tag“ belastete.18 Józef Stankowski verlor während einer Bombardierung des Arbeitslagers einen großen Teil seiner Wange, wodurch er sich „in der Gegenwart von gesunden Menschen heute schämen“19 musste. Stankowski „schämte sich“, weil „Behinderungen“ von den Berichtenden in eindeutiger Weise als negativ wahrgenommen wurden. In den Berichten erwähnte Menschen mit Behinderungen waren meistens „üble Charaktere“ – wie etwa der „Gestapomann – ein Invalide aus [der Schlacht von] Stalingrad“, der „sich für seine Behinderung an den Zwangsarbeitern rächte“20 oder „der bucklige Zwerg“, der als fanatischer Bewunderer Hitlers den Polen in der Schusterwerkstatt zusetzte.21

Behinderung“ wurde zudem mit der negativen Kategorie der „Unmännlichkeit“ in Verbindung gebracht. Die Berichtenden unterstrichen, dass „behinderte Menschen“ eine „Last für die Gesellschaft“ seien.22 Der Staat müsse „[ihnen] eine Invalidenrente zahlen“,23 damit sie ihre Familie ernähren konnten. Stanisław Kulasik benannte das Problem direkt:

 

„Die Arbeit […] hat mir die Gesundheit genommen, heute hat sie mich meines echten, körperlichen Manneswertes beraubt und hat mich einige Jahre nach dem Krieg zu einem Schwächling gemacht. Solange ich jung war, habe ich mich entwickelt, ich habe es nicht gefühlt und habe mir nicht eingestanden, dass das Erlebte sich so übel auch meine Gesundheit auswirken würde. Wenn ich heute etwas über mich sagen wollte, so als erstes, dass ich durch eine langjährige Rheuma- und Nervenkrankheit gebrochen bin.“24

In den Erinnerungen an die Zwangsarbeit zeigt sich daher beim Thema „Behinderung“ wie unter einem Brennglas die Frage nach dem Körper. Der gesunde und leistungsfähige Körper, mit dem die Berichtenden die Zwangsarbeit aufnahmen, war ihr Vorrat, er war eines der Depositorien ihrer Männlichkeit. Die Erfahrungen während der Zwangsarbeit – die übermäßige Kraftanstrengung, die schlechten Lebensbedingungen, die Unterernährung, körperliche Gewalt – nahmen ihnen dieses Depositorium. Die Berichtenden unternahmen Versuche, sich (und ihre Körper) vor der Zwangsarbeit zu schützen, indem sie die schwere Arbeit mieden, ihre Arbeitgeber betrogen oder flüchteten. In der Mehrheit der Fälle aber waren sie hilflos. Sie mussten mit ansehen, wie ihre Körper mit der Zeit immer weniger leistungsfähig bzw. schwächer wurden und sie waren immer weniger in der Lage, jemanden zu schützen oder zu ernähren. Sie wurden „unmännlicher“. Das Endstadium der „Entmännlichung“ war die „Behinderung“ und ein Leben zulasten des Staates. Von diesem Punkt an gab es keine Rückkehr mehr zur starken und leistungsfähigen „Männlichkeit“.

Dieser Text nutzt Fragmente der Magisterarbeit der Autorin, die unter dem Titel „‚Man darf nicht aufgeben, schließlich ist man ein Mann.‘ Männlichkeitsbilder in Erinnerungen polnischer Männer an die Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Deutschland“ im September 2022 am Institut für Geschichte der Warschauer Universität angenommen wurde. Diese Arbeit wurde 2023 mit dem ersten Preis der Zeitschrift „Historyka. Studia Metodologiczne“ (Historyka. Methodologische Studien) und dem ersten Preis des Bronisław Geremek-Wettbewerbs für die beste Magisterarbeit im Bereich der historischen Anthropologie ausgezeichnet.

Die Historikerin Marta Pawlińska promoviert derzeit an der Universität Warschau über die Geschichte polnischer Zwangsarbeiterinnen in deutschen Haushalten. Ihr wissenschaftliches Interesse gilt darüber hinaus der Gesellschaftsgeschichte im Zweiten Weltkrieg.

Fußnoten

1 Spoerer, Mark (2015): Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa, Stuttgart/ München, S. 222.

2 Zum Begriff „performances” vgl.: Butler, Judith (1990): Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity, New York. Butler nimmt an, dass Geschlechteridentitäten nicht festgelegt sind, sondern in einem stetigen Prozess entstehen. Aufrecht erhalten werden sie u. a. durch Gesten, Rituale und Szenarien. Dies führe dazu, dass sich Menschen mit einem der Geschlechter der kulturellen Überlieferung identifizieren.

3 Bartoszewicz, Henryk (1968): Z więzienia na targ niewolników [Aus dem Gefängnis auf den Sklavenmarkt], in: Biłgorajska, Zofia/Pietruczuk-Kurkiewiczowa, Władysława (Hrsg): Gdy byliśmy literą „P”: wspomnienia wywiezionych na przymusowe roboty do III Rzeszy [Als wir der Buchstabe „P” waren. Erinnerungen von zur Zwangsarbeit ins „Dritte Reich” Deportierten], Warschau, S. 393.

4 IPN GK 194/30, S. 15.

5 IPN GK 193/149, S. 53.

6 IPN GK 194/333, S. 43.

7 Kulasik, Stanisław (1968): Zrozumiałem co to jest wojna [Ich verstand, was Krieg bedeutet], in: Biłgorajska, Zofia/ Pietruczuk-Kurkiewiczowa, Władysława (Hrsg): Gdy byliśmy literą „P”: wspomnienia wywiezionych na przymusowe roboty do III Rzeszy, Warschau, S. 206.

8 IPN GK 194/142, S. 1617.

9 Wejman Henryk (1967): Pod batem i swastyką [Unter dem Stock und dem Hakenkreuz], in: Staszyński Ludwik (Hrsg.): Przemoc, poniżenie, poniewierka: wspomnienia z przymusowych robót rolnych 1939-1945 [Gewalt, Erniedrigung, Heimatlosigkeit. Erinnerungen aus der Zwangsarbeit in der Landwirtschaft 1939-1945, Warschau, S. 31.

10 Rusiński, Władysław (1950): Położenie robotników polskich w czasie wojny 1939-1945 na terenie Rzeszy i „Obszarów wcielonych” [Die Situation polnischer Arbeiter während des Krieges 1939-1945 im Deutschen Reich und in den „eingegliederten Gebieten“], Poznań 1950, S. 205–206.

11 IPN GK 193/253, S. 24.

12 I.Z.Dok.II-247 (Ru.197), S. 43.

13 I.Z.Dok.II-205 (Ru.6), S. 8-9.

14 I.Z.Dok.II-165 (Ru.127), S. 3.

15 IPN GK 194/245, S. 13.

16 IPN GK 193/149, S. 45.

17 IPN GK 194/142, S. 21-22.

18 Bartoszewicz: Z więzienia, S. 405.

19 I.Z.Dok.II-247 (Ru.197), S. 64.

20 Chorążyczewski, Adam (1968): W ucieczce przed pogromem [Während der Flucht vor dem Pogrom], in: Biłgorajska/ Pietruczuk-Kurkiewiczowa: Gdy byliśmy literą „P”, S. 341.

21 I.Z.Dok.II-229 (Ru.74), S. 12.

22 Paś, Roman (1968): Nigdy więcej [Nie wieder], in: Biłgorajska/ Pietruczuk-Kurkiewiczowa: Gdy byliśmy literą „P”, S. 117.

23 Ebd., S. 145.

24 IPN GK 194/142, S. 21.

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