Buchenwald

Digital: Fotoausstellung „Schwarz auf Weiß“

Am 11. April 2003, dem 58. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald, wurde im Keller der ehemaligen Desinfektion eine Fotoausstellung unter dem Titel „Schwarz auf Weiß. Die ersten Fotos aus dem befreiten KZ Buchenwald“ eröffnet. Die Ausstellung zeigte in über einhundert Fotografien die unterschiedlichen Blickwinkel, mit denen Fotograf:innen auf das befreite Lager schauten. Während der eine akkreditierte Kriegskorrespondent versuchte, das Lager nüchtern zu dokumentieren, suchte ein anderer nach Möglichkeiten, Buchenwald symbolisch zu verdichten, ein dritter nutzte gar den eigenen Voyeurismus, um möglichst spektakuläre Aufnahmen zu inszenieren. Ein Arzt wiederum dokumentierte die Gesundheitszustände der Befreiten, ein amerikanischer Soldat machte Schnappschüsse fürs Familienalbum. Und ein ehemaliger politischer Häftling versuchte, in seinen Aufnahmen den Widerstand im Lager aufzuzeigen, ein anderer das luxuriöse Leben der SS. Was sie eint, ist das Ringen um einen Blick auf Buchenwald, der nicht verstellt, sondern sichtbar macht.

Webseiten-Ansicht
https://schwarzaufweiss.buchenwald.de/

Die Ausstellung war der Auftakt für eine intensive Auseinandersetzung mit den über 10.000 historischen Fotografien, die in den letzten 40 Jahren von der Gedenkstätte Buchenwald gesammelt wurden. Seit 2004 wurden diese – gemeinsam mit den Fotografien des KZ Mittelbau-Dora – im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Drittmittelprojektes wissenschaftlich bearbeitet und digitalisiert. Zusätzlich konnten weitere mehrere Tausend Fotos in Archiven weltweit recherchiert und beschafft werden. Provenienzen wurden rekonstruiert und Fotoserien zusammengeführt. Auf dieser Grundlage konnte am 15. Juli 2007, anlässlich des 70. Jahrestages der Errichtung des KZ Buchenwald, unter dem gleichen Titel „Schwarz auf Weiß“ – diesmal aber mit dem Untertitel „Fotografien vom Konzentrationslager Buchenwald“ – eine große Fotoausstellung eröffnet werden, die den Anspruch hatte, erstmals eine Bildgeschichte Buchenwalds von der Entstehung des Lagers im Juli 1937 bis zu seiner Befreiung im April 1945 zu zeigen. Geordnet nach den vier wesentlichen Sujets Buchenwald – das Lager mit seinen Gebäuden, die Häftlinge, die SS und die Zuschauer:innen – konnten sich die Besucher:innen in der Ausstellung mit dem jeweiligen Entstehungskontext der Fotos auseinandersetzen. Auch durch die Rekonstruktion von Serien wurde für sie nun gleichsam nachvollziehbar, mit welcher „Brille“ sie auf und in das KZ Buchenwald sehen, wenn sie die Fotos betrachten.

Durch die Neuordnung der historischen Fotografien nach dem Provenienzprinzip war es möglich, Entstehungs- und Überlieferungskontexte zu rekonstruieren und damit auch die unterschiedlichen Motivationen und Ziele der jeweiligen Fotograf:innen aufzuzeigen: Den Lageralltag ausblendende Fotos aus Bauakten stehen neben nur auf den ersten Blick harmlos erscheinenden Privatfotos von SS-Männern, erkennungsdienstliche Aufnahmen der eingelieferten Menschen aus ganz Europa neben Fotos, die einzelne Häftlinge als Beweise der SS-Verbrechen heimlich machten bzw. beiseitegeschafft haben. Mit der Befreiung fotografierten alliierte Kriegskorrespondent:innen das nun offensichtliche Grauen, zum Teil auch in Farbe. Gleichzeitig dokumentierten Überlebende aufgrund ihrer Erfahrungen weitere Stätten des vergangenen Schreckens. Mit der Kenntnis der Überlieferung der Fotos wurde ein neues, schärferes und zuverlässigeres Bild des Konzentrationslagers Buchenwald möglich.

Ausschnitt aus Foto-Album: Besuch im Konzentrationslager Buchenwald, Fahne mit Doppel-Sigrune, dem Zeichen der SS
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Ausschnitt aus Fotoalbum: HJ-Führer besuchen das Lager, mehrere Fotografien
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Mai/Juni 1938 findet in Weimar das 3. Reichsführerlager der Hitler-Jugend statt. Zum Rahmenprogramm gehört auch ein Besuch des sich im Aufbau befindlichen KZ Buchenwald.
Ausschnitt aus Fotalbum: SS-Gruppenführer Eicke besichtigt die Ziegelei Berlstedt, mehrere Fotografien
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Theodor Eicke, Inspekteur der Konzentrationslager, besucht im Herbst 1939 das Klinkerwerk in Berlstedt, das von Häftlingen des KZ Buchenwald aufgebaut werden muss. Die Ziegel sollen u. a. bei den NS-Bauten in Weimar verwendet werden. Beim Besuch dabei: Oswald Pohl, Leiter aller SS-Wirtschaftsunternehmen, und der Weimarer Polizeipräsident Paul Hennicke.
Ausschnitt aus Fotoalbum: SS-Obergruppenführer Heißmeyer in Buchenwald, mehrere Fotografien
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August Heißmeyer, seit Ende 1939 kommissarischer Nachfolger von Theodor Eicke als Inspekteur der Konzentrationslager, macht im Frühjahr 1940 seinen Antrittsbesuch im KZ Buchenwald. Karl Koch präsentiert ihm vom Torgebäude aus die angetretenen Häftlinge.

Nach der Eröffnung der Ausstellung wurde auch die digitale Ausstellung „Schwarz auf Weiß. Fotografien vom Konzentrationslager Buchenwald“ freigeschaltet. Neben den über 300 historischen Fotografien waren nun auch Filmaufnahmen der amerikanischen Befreier sowie der historische Diavortrag eines ehemaligen Häftlings von 1946 in ihrem historischen Entstehungskontext online zu betrachten. Ergänzt wurden die Aufnahmen durch ausgewählte Biografien, in denen neben Häftlingen, SS-Angehörigen und US-Soldaten auch deutsche, amerikanische, französische und britische Berufsfotograf:innen porträtiert wurden.

Veränderte Gewohnheiten der Nutzer:innen in der digitalen Welt, aber auch die im Rahmen der Erarbeitung der neuen Dauerausstellung neu gewonnenen Erkenntnisse, machten 2020/21 eine inhaltliche und vor allem gestalterisch grundlegende Überarbeitung der digitalen Ausstellung notwendig. Gemeinsam mit dem Online-Katalog des Fotoarchivs stehen damit die zentralen historischen Bildquellen zum KZ Buchenwald einem weltweiten Publikum und damit auch der pädagogischen und wissenschaftlichen Nutzung zur Verfügung. Archiv und Ausstellung verstehen sich als Aufforderung zum medienkritischen Umgang mit historischen Fotos als Quelle. Ein Aufwand, der sich lohnt, denn noch nie war Buchenwald in seinen Bildern so differenziert, so detailreich und so plastisch sichtbar wie heute.

Neu in der digitalen Ausstellung Schwarz auf Weiß: Mitarbeiter der Stiftung stießen 2006 im Stadtarchiv Nürnberg auf Kopien eines Foto-Albums, das Häftlinge 1941 für den Lagerkommandanten Karl Koch anlegen mussten. Sie konnten das Original schließlich beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag aufspüren. Einen eigenen Abschnitt im Album nehmen die Besuche hochrangiger NSDAP-, SS- und HJ-Führer in Buchenwald ein.

 

Alle Fotos: International Court of Justice, The Hague

Der Historiker Holm Kirsten ist Leiter der Sammlung der Gedenkstätte Buchenwald.


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