Stiftung

Editorial

Sie halten Heft 2 unserer „Reflexionen“ in der Hand. Sein inhaltliches Schwerpunktthema ist den nationalsozialistischen Verbrechen als transnationalem Phänomen gewidmet. Mitarbeiter:innen der Stiftung und externe Autor:innen gehen der Frage nach, inwieweit NS-Herrschaft, Zwangsarbeit, Shoah und Zweiter Weltkrieg als transnationale Erfahrungen beschrieben werden können. Ziel ist es, den Blick auf die europaweiten und teils sogar globalen Folgen der NS-Herrschaft zu richten – in historischer Perspektive, aber auch hinsichtlich der Frage, inwieweit die Erfahrung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen so etwas wie ein europäisches Gedächtnis geprägt hat.

Porträt Jens-Christian Wagner

©Jens Meyer

Das Jahr 2021 war das zweite Jahr unter Corona-Bedingungen und damit auch das zweite Jahr, in dem ein wesentlicher Teil unserer Arbeit, nämlich die Begegnung zwischen Menschen bei Veranstaltungen oder bei Gruppenbetreuungen, weitgehend wegbrach. Über lange Zeiträume war es – wie auch schon im Vorjahr – sehr still auf dem Ettersberg und am Kohnstein bei Nordhausen. Und auch die Jahrestage der Lagerbefreiungen standen 2021 wieder im Zeichen der Pandemie. Wieder konnten keine KZ-Überlebenden anreisen, und ein großer Teil des umfangreichen und über Monate vorbereiteten Veranstaltungsprogramms (eigentlich sollte ja der 2020 ausgefallene „runde“ 75. Jahrestag der Befreiung nachgeholt werden) musste auf Onlinevarianten ausweichen.

Und doch ging die Arbeit in den Gedenkstätten weiter, an der Digitalisierung unserer Bestände, an neuen Ausstellungen, an einer vollständigen inhaltlichen und gestalterischen Überarbeitung unserer Webseiten, an unserem neuen Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, das im kommenden Jahr eröffnet werden soll, und natürlich an innovativen neuen Bildungsformaten. Die wichtigsten Projekte werden Ihnen im vorliegenden Heft vorgestellt. Sie verdeutlichen, wie vielfältig die Arbeit an den Gedenkstätten ist, welche geschichtskulturellen Implikationen sie hat und welche Anstrengungen wir unternehmen, eine manchmal in Ritualen und Entlastungsnarrativen erstarrte Erinnerungskultur auf unsere Gegenwart und die Zukunft auszurichten.

Der Blick in die Zukunft ist derzeit allerdings verdüstert. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine endeten 77 Jahre Frieden in Zentraleuropa. Entsetzen lösten bei uns Berichte von ehemaligen Häftlingen der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora aus, die in den Lagern gemeinsam mit ihren russischen Mithäftlingen gelitten hatten und uns nun Hilferufe aus Kellern schickten, in denen sie Schutz vor den russischen Raketen und Bomben suchten. Bestürzt hat uns auch die von den russischen Behörden angeordnete Auflösung der Menschenrechtsorganisation Memorial, mit der wir vor zehn Jahren die erste große Ausstellung in Deutschland zum sowjetischen Gulag-System erarbeitet haben. Voller Bewunderung und Solidarität, aber auch in großer Sorge blicken wir auf die Kolleg:innen von Memorial und andere Vertreter:innen der russischen und belarussischen Zivilgesellschaft, die mutig gegen den Krieg und für Demokratie eintreten und damit um ihre Sicherheit fürchten müssen.

Angesichts der aktuellen Ereignisse können einen manchmal Zweifel befallen, ob wirklich aus Geschichte gelernt werden kann. Doch gerade der Umstand, dass Wladimir Putin den Angriff auf die Ukraine mit der Instrumentalisierung und Verfälschung der Geschichte zu legitimieren versucht, zeigt, wie wichtig es ist, fundiertes Geschichtsbewusstsein und historische Urteilskraft in der Gesellschaft zu stärken. Darin sieht die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora ihre Hauptaufgabe. Und wie wir das umsetzen, können Sie in diesem Heft nachlesen. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine spannende Lektüre.

Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

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