Schwerpunkt: Nationalsozialismus als transnationales Phänomen

„Für jedes deutsche Heim ein Westküsten-Beobachter“

NSDAP-Presse im Ausland: Transnationale Volkserziehungsarbeit des NS-Regimes am Beispiel Chile

Wenig ist bekannt darüber, dass und zugleich wie von den Nationalsozialisten sogar bis in weit entfernte Länder parteipolitische Presse organisiert und vertrieben wurde. Unter Aufbringung enormer personeller, materieller und finanzieller Ressourcen hatte der NS-Staat alte Behörden aus- und neue Institutionen eingerichtet und sich dadurch ein international operierendes Propagandanetzwerk geschaffen, in das NSDAP-eigene Publikationen im Ausland maßgeblich eingebunden waren. Dem wohl bekanntesten Agitationsinstrument der NS-Propaganda in Deutschland, dem „Völkischen Beobachter“, nachempfunden, gab es beispielsweise den „Italien-Beobachter“, in Shanghai den „Ostasiatischen-Beobachter“, in Kolumbien einen „Karibischen Beobachter“, in Argentinien erschien „Der Trommler“ und in Chile der „Westküsten-Beobachter“. Sie gehören zu den wenigen namentlich bekannten und zumeist noch undokumentierten Beispielen der insgesamt mindestens 30 Auslandsparteiblätter (Stand 1936), die die NSDAP über ihre bereits 1931 gegründete Auslands-Organisation (AO) herausgab. Es ging vorrangig um außenpolitischen Imagegewinn. Die Außenwahrnehmung von Hitlers „neuem Deutschland“ galt es, positiv zu beeinflussen, den ideologischen Zuspruch und Anhängerkreis stetig und weltweit auszubauen.

Bereits Mitte der 1920er-Jahre hatte Hitler in seiner Kampfschrift unmissverständlich festgehalten, dass die Durchsetzung der Weltanschauung nur in einem gegenseitigen Aufschaukeln von Propaganda- und Organisationsarbeit zu erreichen sei: „Die Propaganda versucht eine Lehre dem ganzen Volke aufzuzwingen […]. Der Sieg einer Idee wird um so eher möglich sein, je umfassender die Propaganda die Menschen in ihrer Gesamtheit bearbeitet hat und je ausschließlicher, straffer und fester die Organisation ist, die den Kampf praktisch durchführt. […] Die erste Aufgabe der Propaganda ist die Gewinnung von Menschen für die spätere Organisation; die erste Aufgabe der Organisation ist die Gewinnung von Menschen zur Fortführung der Propaganda. Die zweite Aufgabe der Propaganda ist die Zersetzung des bestehenden Zustandes und die Durchsetzung dieses Zustandes mit der neuen Lehre, während die zweite Aufgabe der Organisation der Kampf um die Macht sein muß, um durch sie den endgültigen Erfolg der Lehren zu erreichen.“1

Nach der Machtübernahme wurde die Werbung für die Politik und Ideologie des „neuen Deutschland“ schnell zu einem der wichtigsten Aufgabenbereiche im NS-Außenauftritt. Im Auswärtigen Amt (AA), der traditionellen außenpolitischen Behörde, die sich entgegen jahrzehntewährender Behauptungen nachweislich in den Dienst des Regimes gestellt hatte, wurden die Abteilungen und Personalmengen für Propagandafragen stetig aufgestockt: Bereits Mitte 1933 begann die Selbstgleichschaltung des AA unter Außenminister Neurath, 1936 wurden die Abteilung Presse-Protokoll und das Partei-Referat eingerichtet, unter dem seit 1938 amtierenden Minister Ribbentrop und nach Ausbruch des Krieges gab es schließlich drei Abteilungen im AA, die sich mit Kommunikations- und Propagandafragen beschäftigten. Allein in der Nachrichten- und Presseabteilung nahm die Zahl der Beschäftigten von 70 (vor dem Krieg) auf 330 (Ende 1941) zu.2 Das Ansehen der Traditionsbehörde wie ihr Netzwerk von Vertretungen im Ausland wurden für die nationalsozialistische Programmatik ausgenutzt, ebenso wie der diplomatische Dienstverkehr, über den mitunter propagandaförderliches Material verschickt wurde.

Abb. im „Westküsten-Beobachter“
„Wir schlagen die Brücke zu unseren auslandsdeutschen Volksgenossen. Deutscher Kurzwellensender und Auslandsorganisation der N.S.D.A.P.“ Abb. im „Westküsten-Beobachter“, Jahrg. 4, Nr. 159, 22. Oktober 1936.

Größten Einfluss übte das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda (ProMi) unter Joseph Goebbels aus, denn es stellte – der Name war richtungsweisend – den institutionellen Fanatismus des NS-Regimes dar, die nationalsozialistische „Lehre dem ganzen Volk aufzuzwingen“ und „die Menschen in ihrer Gesamtheit“ zu bearbeiten. Laut Führerverordnung vom 30. Juni 1933 war Goebbels mit seinem Ministerium „zuständig für alle Aufgaben der geistigen Einwirkung auf die Nation, der Werbung für Staat, Kultur und Wirtschaft, der Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit über sie und der Verwaltung aller dieser Zwecke dienenden Einrichtungen“3. Durch die Gleichschaltung alles wissenschaftlichen, kulturellen und sozialen, sprich meinungsbildenden Schaffens in und für Deutschland und die inhaltliche, bis ins Private gelangende Volkserziehungsarbeit verfolgte das ProMi zielgerichtet „die Zersetzung des bestehenden Zustandes und die Durchsetzung dieses Zustandes mit der neuen Lehre“. Dies galt innerhalb Deutschlands ausnahmslos und außerhalb der deutschen Grenzen soweit, wie propagandistisches Schrift- und Bildmaterial verbreitet und staatlich-parteiliche Vertreter aktiv werden konnten. Das ProMi erließ Sprachregelungen, unterhielt eigene Pressedienste, genehmigte den Nachdruck innerdeutscher Presseartikel im Ausland, setzte Presseattachés in verschiedenen deutschen Auslandsmissionen ein, die im Grunde als Spionageagenten der Reichsregierung fungierten, und stand der nach außen hin unabhängig auftretenden, tatsächlich staatlichen Nachrichtenagentur Transocean (TO) vor. Die Überseeagentur Transocean war im Kontext des Ersten Weltkrieges gegründet worden und unterhielt spätestens ab Mitte der 1930er Jahre weltweit Niederlassungen, die vor allem mit Parteifunktionären besetzt wurden. Gemeinsam mit dem Deutschen Nachrichtenbüro (DNB) sollte die TO in Konkurrenz treten gegenüber den etablierten internationalen Diensten wie Havas, Reuter oder Associated Press, um auf die Berichterstattung und somit Meinungsbildung im Ausland einzuwirken. Mit unterschiedlich großem Erfolg gelang es, über gezielt kooperierende ausländische Medien Kabelmeldungen und Artikel aus Deutschland in Presse und Rundfunk zu verbreiten.

Ineinandergreifend mit einer ständigen Ausweitung und Perfektionierung der Propaganda wurde die einstige Kampfbewegung Hitlers zur Staatspartei und simultan zu einer Weltorganisation, der Auslands-Organisation der NSDAP, ausgebaut. Die Aufgaben der in- und auswärtigen Parteiorganisation waren „der Kampf um die Macht […], um durch sie den endgültigen Erfolg der Lehren zu erreichen“. 1931 als „Auslands-Abteilung der Reichsleitung der NSDAP“ mit Sitz in Hamburg begründet, um die im Ausland entstandenen deutschen nationalsozialistischen Vereinigungen und Initiativen organisatorisch zu erfassen, erfolgte nach intensivem – nötigenfalls konspirativem – Ausbau weltweiter Stützpunkte, Orts- und Landesgruppen Anfang 1934 die Umbenennung in „Auslands-Organisation der NSDAP – NSDAP-AO“ und die Aufwertung zu einem selbstständigen Gau. Unter dem Gauleiter Ernst Wilhelm Bohle und dessen Stellvertreter Alfred Heß war die AO fortan zuständig für alle Parteigliederungen und -genossen im Ausland einschließlich der zur See fahrenden Parteimitglieder. Jeglicher Dienstverkehr einzelner NS-Organisationen mit Auslandsdienststellen hatte über sie zu erfolgen. Im März 1935 zog die AO-Zentrale nach Berlin um, an die Tiergartenstraße 44; in dieser Dienststelle sollten bereits Anfang 1937 mehr als 700 Mitarbeiter:innen tätig sein.

Die Betreuung der Auslandsdeutschen wurde organisiert durch Länderämter, die sich als „Nervenzentren“ verstanden mit ordnender und überwachender Funktion. Die jeweiligen Leiter reisten häufig in die ihnen unterstehenden Regionen und waren bestens unterrichtet über die Verhältnisse in den jeweiligen „Gastländern“ sowie die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen der dortigen deutschen Kolonien und Landesgruppen. In ausgewählten Ländern setzte die AO außerdem so bezeichnete Auslandskommissare ein, die teilweise mit der Organisation in einem ganzen Erdteil betraut waren. Mit den Zielen, die Kontrolle seitens der Zentrale in Deutschland noch besser zu gewährleisten und die gesamte Auslandsarbeit zu vereinheitlichen, hatten die Auslandskommissare die Aufgabe, innerparteiliche Opposition auszuschalten sowie Erscheinungsbild, Programm und die Außenbeziehungen der einzelnen Gruppen entsprechend zu (re)organisieren. Sie galten als die ranghöchsten Parteivertreter ihres Zuständigkeitsbereichs und waren als Sonderbeauftragte dem Gauleiter unmittelbar unterstellt.

Betreuung und Angebote für die Auslandsdeutschen, die sich beispielsweise 1938 auf über 580 Ortgruppen in 82 Ländern verteilten5, wurden zumeist im Zusammengang mit weiteren Gliederungen der NSDAP wie der Deutschen Arbeitsfront (DAF) oder der NS-Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF) geschaffen. Neben der Unterstützung von Notstandsgebieten, der Förderung von Heimat-Erholungsaufenthalten, Jugendausbildung oder der Schaffung von Hilfswerken, um nur einige Beispiele zu nennen, wurde das „Gemeinschaftsleben“ durch die Gestaltung der Nationalfeiertage gefördert, inklusive aus Deutschland entsandter Redner. Die Verbundenheit zur Heimat sollte weiterhin gefestigt werden durch den Einsatz von Funk und Film, insbesondere durch Kurzwellensender, den Ausbau von Schallplattenarchiven und die Wochenschau-Zusammenstellung „Echo der Heimat“. Und auch die Deutschen Auslandsschulen erhielten Förderung durch die AO. Als Symbol für die Verbundenheit der Auslandsdeutschen mit der Heimat wurde im August 1936 Stuttgart zur „Stadt der Auslandsdeutschen“ erklärt.6 Darüber hinaus veranstaltete die AO jährliche Reichstagungen in wechselnden deutschen Städten. Das besondere Interesse der AO galt allerdings der Herausgabe bzw. Unterstützung von Partei- und Kolonialblättern oder -zeitungen, die, wie sich am Beispiel des „Westküsten-Beobachter“ aus Chile aufzeigen lässt, mit größtem Aufwand verfolgt wurde.

Ansicht Impressum „Westküsten-Beobachter“
1/5
Impressum „Westküsten-Beobachter“ 1935, Jahrg. 3, Nr. 100, 5. September 1935.
Titelblattgestaltung „Westküsten-Beobachter“. schwarzer Schriftzug neben bunter Südamerika-Karte.
2/5
Titelblattgestaltung „Westküsten-Beobachter“ August bis Dezember 1934.
Titelblatt: schwarzer Reichadler mit Hakenkreuz über der Weltkugel vor rotem Hintergrund
3/5
Titelblatt „Westküsten-Beobachter“, Jahrg. 1., Nr. 1, 15. November 1932.
Titelblatt: Reichsadler auf Hakenkreuz sitzend
4/5
Titelblattgestaltung „Westküsten-Beobachter“ 1938 – 1939, hier Jahrg. 7, Ausg. 286, 30. März 1939.
Titelblatt: idyllische Illustrationen von Stadt, Land und Meer, in der Mitte Foto von der "gesunden deutschen Jugend"
5/5
Titelblattgestaltung „Westküsten-Beobachter“ 1940 – 1941, hier Jahrg. 8, Ausg. 328, 18. Januar 1940.

Über zehn Jahre lang betrieb die NSDAP in Chile deutschsprachige Parteipresse. Bereits 1929 hatte sich die Landesgruppe Chile der NSDAP-AO etablieren können, ab November 1932 gab sie ihr eigenes offizielles Parteiorgan heraus. Der „Westküsten-Beobachter. Nationalsozialistische Deutsche Wochenzeitschrift für die Westküste Südamerikas“ (WB), wie die Parteipublikation bald nach ihrer Gründung betitelt wurde, erschien bis Ende Januar 1943 in Santiago de Chile. Die Einstellung passierte notgedrungen, nachdem Chile auf Druck der USA hin die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abbrach. Das Verbreitungsgebiet der Zeitschrift erstreckte sich bis nach Argentinien sowie Peru, Bolivien und Ecuador, also entlang der kompletten südamerikanischen Westküste. Zu Anfang erschien die Zeitschrift noch halbmonatlich und mit dem zweckdienlichen Titel „Mitteilungsblatt der N.S.D.A.P. (Hitler Bewegung) Landesgruppe Chile“, wurde dann aber zu August 1934 und ihrer 43. Ausgabe in „Westküsten-Beobachter“ umbenannt und zur Wochenzeitschrift erweitert. Der seit der Umbenennung außerdem verwendete Untertitel sollte mit den Jahren mehrfach variieren, charakterisierte die Zeitschrift in seiner zwischenzeitlich vollständigsten Version allerdings eindeutig als „Parteiamtliches Organ der Landesgruppe Chile der Auslands-Organisation der N.S.D.A.P./Nat.Sozialistische Deutsche Wochenzeitschrift für die Westküste Südamerikas“. Fast 500 Publikationen sind unter dem Titel „Westküsten-Beobachter“ erschienen, gelegentliche Sonderveröffentlichungen und Jahrbücher mit einbezogen. Zum Zielpublikum, das die Zeitschrift zu erreichen suchte, gehörten nicht nur die NSDAP-Mitglieder im südamerikanischen Ausland, sondern alle Deutschen und deutschstämmigen Bewohner:innen in Chile und den angrenzenden Ländern. „Für jedes deutsche Heim ein Westküsten Beobachter“7 lautete ein Motto und selbstgestecktes Ziel der Zeitschrift, die in Südamerika sowohl parteipolitische als auch kulturpolitische Ansprüche verfolgte.

Gegründet wurde das Parteiblatt in Chile von Willi Köhn, einem deutschen Nazi der ersten Stunde, der Anfang der 1930er-Jahre zugleich für den Auf- und Ausbau der Landesgruppe der NSDAP in Chile verantwortlich gewesen war und dem das NS-Regime bald darauf zu einer rasanten Auslandskarriere verhelfen sollte. Köhn hatte es nicht nur zum mächtigsten Mann der NSDAP in Südamerika gebracht als er vom Landesgruppenleiter in Chile und Schriftleiter des „Westküsten-Beobachter“ bereits 1933 zum Auslandskommissar der AO für sieben südamerikanische Länder berufen sowie bald darauf mit dem Posten des ProMi-Presseattachés in der Deutschen Botschaft in Buenos Aires betraut wurde. Darüber hinaus war er Mitte 1936 als Propagandaspezialist des Deutschen Reiches in den Spanischen Bürgerkrieg, nämlich nach Salamanca, beordert und dort zum Generalkonsul ernannt worden. Auch die Männer, die Köhn in Chile nachfolgten – ob in der Führung der Parteigliederung oder in der Schriftleitung des „Westküsten-Beobachter“ –, zeichneten sich durch einen hohen Grad an Engagement aus, das wiederholt auch mit höheren Posten in Deutschland belohnt wurde. Die Redaktion des WB in Santiago entwickelte sich immer mehr zum Knotenpunkt aller in Südamerika geschaffenen Propagandaverbindungen – als Empfängerin und Vor-Ort-Vertretung der Dienste von TO, DNB, ferner des klandestin bis fälscherhaft arbeitenden Materiallieferanten „Aufklärungsausschuss Hamburg-Bremen“ und selbstredend der NSDAP-AO mit allen ihr angeschlossenen Pressediensten.

Abbildung im "Westküsten-Beobachter": Bohle, Goebbels, Tröbst
1/2
„Reichsminister Dr. Goebbels lässt sich gelegentlich seines Besuches bei der Leitung der A O. der N. S. D. A. P. über die Entwicklung und den Stand des auslandsdeutschen Parteischrifttums
Bericht erstatten. (Vorn in erster Reihe der W. B.) – Von rechts nach links: Gauleiter Bohle, Reichsminister Dr. Goebbels, Pg. Tröbst.“ Abb. im „Westküsten-Beobachter“, Jahrg. 4, Nr. 112, 28. November 1935.
Abbildung im „Westküsten-Beobachter“: eine Menge macht den Hitlergruß, vor ihr hängen groß die chilenische und die Reichsfahne mit dem Hakenkreuz
2/2
„Erntedankfest der Ortsgruppe Valparaíso in Limache am 3.10.37.“ Abb. im „Westküsten-Beobachter“, Jahrg. 5, Nr. 212, 28. Oktober 1937, S. 48.

Tatsächlich wurde der WB im Gros mit textueller Fertigware und aufbereitetem Nachrichten-, Bild- und Propagandamaterial aus Deutschland ausgestattet. Von Anfang an charakterisierte sich das Mitteilungsblatt der NSDAP-Gliederung in Chile vor diesem Hintergrund als „eine Zeitschrift von drüben“8. Über das eigene Presseamt kanalisierte die AO Medien verschiedenster Art und Quellen aus dem Reich zu den Gruppen im Ausland und umgekehrt. Über Untereinrichtungen wie die Nationalsozialistische Parteikorrespondenz (NSK) oder den NS-Dienst für auslandsdeutsche Blätter bezog der WB druckreife Artikel und Aufsätze, ja sogar Fortsetzungsromane wie Karl Aloys Schlenzigers „Der Hitlerjunge Quex“. Was in der Redaktion im Ausland entstand, folgte genauen Anweisungen der AO-Zentrale. Über die Ausgabe von Presserichtlinien und einer Art Mutterblatt, dem „Mitteilungsblatt der AO. der NSDAP“, wurde die Auslandspressearbeit bis in kleinste – sprachliche wie inhaltliche – Detail vorgegeben. Selbstverfasste Berichte über Aktivitäten und Anlässe im Ausland waren an die Pressestelle der AO zurückzusenden zur Kontrolle und möglichen Weiterverwendung in der deutschen Inlandspresse. So verwundert es nicht, dass mitunter hochrangige NS-Persönlichkeiten, wie beispielsweise Goebbels, Alfred Rosenberg, Otto Dietrich oder Walter Darré, zu den vom WB abgedruckten Verfassern zählten. Darüber hinaus veröffentlichen die Auslandsmission des Auswärtigen Amtes in Chile und der Deutsche Botschafter persönlich im „Westküsten-Beobachter“ und nutzten die Zeitschrift für Bekanntmachungen. Seit Ende 1939 teilten sich die Redaktion des Parteiorgans und die Deutsche Botschaft in Chile sogar dieselben Räumlichkeiten. An der finanziellen Versorgung und Absicherung des Propagandanetzwerkes waren nicht zuletzt die deutschen Banken und führende Industrieunternehmen involviert. Beispielsweise traten die Dresdner Bank, die AEG oder die IG Farben als Gesellschafter der Überseeagentur Transocean auf, Firmen wie Bosch, Bayer oder Siemens sowie die großen Reedereien finanzierten das Auslandsparteiblatt über ständige Anzeigenschaltung mit.

Der „Westküsten-Beobachter“, der als Kampfblatt der in Chile zunächst noch losen Hitlerbewegung begonnen hatte, das für die Parteimitglieder und zur Werbung neuer Anhänger bestimmt war, entwickelte sich bald zur NS-Deutschen Wochenzeitschrift mit Verbreitungsgebiet über mehrere südamerikanische Staaten. Seine Inhalte gaben bald nicht mehr allein parteiliche, sondern staatliche Interessen wieder, denn das parteiamtliche Organ der NSDAP-Landesgruppe Chile war vor allem eins: ein vom Reich aus dirigiertes, kontrolliertes, materiell ausgestattetes, inhaltlich und sprachlich diktiertes Propagandainstrument, um den Auslandsdeutschen und deutschstämmigen Bewohner:innen Chiles vom „neuen Deutschland“ zu berichten, sie im Sinne der Partei „aufzuklären“, ideologisch zu fixieren und nach Deutschlands Interessen auszurichten.

Die Kulturwissenschaftlerin Dorothee Schlüter promovierte 2013 zur auswärtigen Pressearbeit der NSDAP in Chile.

Fußnoten

1 Hitler, Adolf (1925/1927): Mein Kampf, erster und zweiter Bd., 636.-640. Aufl. (1941), München, S. 651ff.

2 Vgl. hierzu insbesondere die erhellende Studie von Conze, Eckart / Frei, Norbert / Hayes, Peter / Zimmermann, Moshe (2010): Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München., bzgl. der Zahlenangaben S. 142-145.

3 Verordnung über die Aufgaben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 30. Juni 1933 (RGBl. 1933 I, S. 449) (Zitiert nach Findbuch BArch R55: Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Einleitung (Online) [letzte Abfrage: 27.04.2012]).

4 Diese Berliner Adresse sollte traurige Berühmtheit erlangen: Nach dem Umzug der NSDAP-AO innerhalb Berlins wurde aus dem Gebäude an der Tiergartenstraße das Programm „T-4“, das sogenannte Euthanasieprogramm, geleitet.

5 Vgl. Koop, Volker (2009): Hitlers fünfte Kolonne. Die Auslands-Organisation der NSDAP, Berlin, S. 17.

6 Stuttgart war für Auslandsdeutsche bereits seit Kaiserreichzeiten von Bedeutung: 1917 wurde hier das Deutsche Auslandsinstitut (DAI) gegründet, dass sich seitdem – zusätzlich zum Verein (später Volksbund) für das Deutschtum im Ausland (VDA) – für die Förderung deutscher Kultur- und Bildungseinrichtungen, insbes. der Deutschen Schulen, im Ausland einsetzte.

7 Westküsten-Beobachter, Jahrg. 4, Nr. 156, 1. Oktober 1936, S. 19.

8 Vgl. Westküsten-Beobachter, Jahrg. 1, Nr. 1, 15. November 1932, S. 1.

var _paq = window._paq = window._paq || []; /* tracker methods like "setCustomDimension" should be called before "trackPageView" */ _paq.push(['trackPageView']); _paq.push(['enableLinkTracking']); (function() { var u="https://matomo.buchenwald.de/"; _paq.push(['setTrackerUrl', u+'matomo.php']); _paq.push(['setSiteId', '21']); var d=document, g=d.createElement('script'), s=d.getElementsByTagName('script')[0]; g.async=true; g.src=u+'matomo.js'; s.parentNode.insertBefore(g,s); })();