Einige Hundert Kinder sowie weit über Zehntausend Jugendliche unter 21 Jahren wurden bis 1945 in die Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora verschleppt, Tausende starben. Ihrem Schicksal widmet sich die im April 2021 fertiggestellte Online-Ausstellung „Jugend im KZ. Buchenwald und Mittelbau-Dora“ (www.jugend-im-kz.de). Erarbeitet wurde sie von Studierenden der Friedrich-Schiller-Universität Jena am Lehrstuhl für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit.
Stiftung
Ursprünglich war geplant gewesen, ergänzende analoge Module zu Buchenwald und Mittelbau-Dora für die Wanderausstellung „Kinder im KZ Bergen-Belsen“ zu erarbeiten. Diese wurde seit 2018 an mehreren Orten in Deutschland und der Schweiz gezeigt und sollte zum 76. Jahrestag der Befreiung in Weimar oder Erfurt präsentiert werden. Doch die Corona-Pandemie verhinderte das. Aus der Not machten die Studierenden eine Tugend: Sie konzipierten eine Online-Ausstellung – mit dem Nebeneffekt, dass diese sehr viel umfangreicher werden konnte als die eigentlich geplanten analogen Module.
Eingeleitet wird die Ausstellung durch ein kontextualisierendes Kapitel zum Thema Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus. Es wird deutlich, dass die Behandlung der Kinder und Jugendlichen der rassistischen Gesellschaftsordnung im Nationalsozialismus entsprach: Die Kinder der „Volksgenossen“ wuchsen in dem Glauben auf, einer überlegenen „Herrenrasse“ anzugehören. Ihnen standen die Kinder von Juden, Sinti und Roma, Kranken und politisch Andersdenkenden gegenüber. Sie wurden ausgegrenzt und verfolgt, viele von ihnen wurden während des Krieges ermordet.
Im ersten Kapitel werden die Haftgründe und die Deportationswege der Kinder und Jugendlichen in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora vorgestellt. Die Rettungsbemühungen politischer Häftlinge für die Kinder in Buchenwald und die Existenzbedingungen junger Juden sowie Sinti und Roma, die 1944 in das KZ Mittelbau-Dora verschleppt wurden, sind weitere Themenseiten. Exemplarische Biographien zeigen die Vielfalt der Opfergruppen unter den Minderjährigen: Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, aus besetzen Gebieten verschleppte politische Häftlinge, Mädchen in Außenlagern, sogenannte Asoziale und Arbeitserziehungshäftlinge.
Ein Schwerpunkt der Ausstellung ist der erfahrungsgeschichtlichen Perspektive gewidmet: Kindheit und Jugend im Konzentrationslager bedeutete die Allgegenwart von Gewalt, Misshandlungen, Krankheiten und Tod. Welche spezifischen Erfahrungen machten Kinder und Jugendliche in den Lagern, was unterschied sie von den Erfahrungen der Erwachsenen? Wie reagierten die minderjährigen Häftlinge auf eine derart lebensfeindliche Umwelt? Was half ihnen, zu überleben? Wie erlebten sie die Befreiung im April 1945? Zeitgenössische Dokumente wie Briefe und Zeichnungen, aber auch Videointerviews mit Überlebenden geben Antworten. Manche Kinder und Jugendliche starben noch nach der Befreiung an den Folgen von Hunger, Auszehrung und Krankheiten. Die anderen versuchten, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Doch für viele, insbesondere Juden sowie Sinti und Roma, gab es kein Zuhause mehr, weil die Eltern ermordet oder in andere Länder verschleppt worden waren. Sie blieben zunächst in den Displaced-Persons-Camps oder wurden in Kinderheime in der Schweiz, in Frankreich oder Schweden gebracht.
Das Schlusskapitel fragt nach der Rolle der sogenannten Child Survivors von Buchenwald und Mittelbau-Dora im öffentlichen Gedächtnis. Die Kinderüberlebenden wurden lange nicht als eine spezifische Gruppe wahrgenommen. Erst in den letzten 20 Jahren erhielten die als Kinder oder Jugendliche Befreiten größere Aufmerksamkeit – auch weil es kaum noch Überlebende gibt, die als Erwachsene befreit wurden.
Didaktisch ist die Ausstellung so konzipiert, dass sie Einzelinteressierten, aber auch Schulklassen die Möglichkeit geben soll, sich im Rahmen des forschenden Lernens intensiv mit der Geschichte der Kinder und Jugendlichen in Buchenwald und Mittelbau-Dora auseinanderzusetzen. Die farbige Gestaltung (Design: Büro It’s about, Charlotte Kaiser, Berlin) ist an die Ausstellung „Kinder in Bergen-Belsen“ angelehnt, setzt aber auch bewusst eigene Akzente.
Der Historiker Jens-Christian Wagner leitete das Seminar an der FSU Jena, aus dem heraus die Online-Ausstellung erarbeitet wurde.