Stiftung

Der Blog – #otd1945

Geschichten von Hoffnung, Verzweiflung und Terror

+++ Am 1. Januar 1945 notierte der Buchenwald-Häftling Jean-Louis Guellerin in das Erinnerungsbuch eines französischen Mitgefangenen: „Ein Jahr voller trauriger Erinnerungen ist vergangen. Aber heute haben mehrere tausend französische Häftlinge das Jahr 1945 mit Hoffnung begrüßt.“ +++ Am 20. Januar 1945 berieten Manager des unterirdischen Raketenwerks im Kohnstein bei reichlich Wermuth und Zigarren über den weiteren Einsatz von KZ-Häftlingen. +++ Am 26. Januar 1945 erreichten in offenen Güterwaggons fast 4.000 Männer und Jungen aus Auschwitz das KZ Buchenwald; Hunderte waren unterwegs gestorben. +++ Am 13. Februar 1945 trieben SS-Wachen Hunderte KZ-Häftlinge des Buchenwalder Außenlagers Witten-Annen im Ruhrgebiet wie jeden Tag quer durch die Stadt zur Zwangsarbeit im örtlichen Gußstahlwerk. +++ Am 21. März 1945 ließ die SS in Dora dreißig Häftlinge auf dem Appellplatz des Lagers erhängen. +++ Am 23. März 1945 brachte Fela Herling in einem Buchenwalder Frauenaußenlager in Leipzig ihren Sohn Szymon zur Welt. +++ Am 13. April 1945 verübten Angehörige der SS, der Wehrmacht, der NSDAP und Einheimische in Gardelegen ein Massaker an mehr als tausend KZ-Häftlingen. +++ Am 19. April 1945 fand im befreiten KZ Buchenwald die erste Trauerfeier für die Toten des Lagers statt. +++ Am 1. Mai 1945 marschierten 150 Überlebende der KZ Buchenwald und Mittelbau-Dora in Paris über die Champs-Élysées. +++ Am 3. Mai 1945 befand sich der belgische Buchenwald-Häftling Isidoor Mols auf einem Todesmarsch in einem offenen Kohlewaggon in der Nähe der tschechischen Grenze und notierte in sein Notizheft: „Meine zwei Freunde sind tot. Die Sterberate erreicht im Moment eine unglaubliche Quote“; wenige Tage später starb auch er. +++

Auf den ersten Blick scheinen diese zehn Ereignisse des Jahres 1945 nur wenig miteinander gemein zu haben. Und dennoch sind sie repräsentativ. Sie stehen für die Bandbreite und Gleichzeitigkeit ganz unterschiedlicher Geschehnisse in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora in den Monaten und Wochen vor und nach ihrer Befreiung 1945. Der Blog mit dem programmatischen Titel „#otd1945“ nimmt diese Zeit genauer unter die Lupe. Vom 1. Januar bis zum 8. Mai 2021 wurde in ihm Tag für Tag über Geschehnisse aus der Geschichte der beiden Konzentrationslager berichtet, die sich an diesem Tag vor genau 76 Jahren ereignet hatten.

Zeichnung von KZ-Häftlingen hinter einem Stacheldraht
„Achter prikkeldraad” (Hinter Stacheldraht), 1945. Zeichnung: Henri Pieck
©„Buchenwald“, Reproducties naar zijn Teekeningen uit het Concentratiekamp, Den Haag, ohne Datum

Die Beiträge des Blogs führen in eine Zeit, in der die deutsche Kriegsniederlage nur noch eine Frage der Zeit war. Die Häftlinge in den Lagern hofften auf eine baldige Befreiung, auf ihre Rückkehr zu ihren Familien. Doch ihre Hoffnung war trügerisch. Denn gleichzeitig verschärfte sich der Überlebenskampf in den zunehmend überfüllten Lagern. Der Terror, das Morden und das Sterbenlassen brachen angesichts des sich abzeichnenden Kriegsendes nicht ab. Im Gegenteil: Sie entfalteten eine neue Dynamik. Erst die Ankunft der alliierten Truppen stoppte die Verbrechen.

Im Zentrum des Blogs stand zum einen die Situation der Häftlinge in den Lagern. Es sind Geschichten der Hoffnung und der Verzweiflung, des massenhaften Sterbens; Geschichten der gegenseitigen Hilfe, der Rettung, des Überlebens und des Starts in ein Leben nach dem Lager, aber auch des weiteren Sterbens nach der Befreiung. Zum anderen galt der Blick der deutschen Tätergesellschaft. Es sind Geschichten des Mordens, der Ausbeutung, des Mitmachens und des Weitermachens, der Gleichgültigkeit und des Wegsehens sowie – in seltenen Fällen – Geschichten der Mitmenschlichkeit und der Solidarität. Der tägliche Blog endete nach 128 Tagen am 8. Mai 2021, dem Jahrestag des Kriegsendes in Europa. Bis Ende Juni folgten sechs längere Beiträge mit weiterführenden Informationen zur Geschichte der Opfer, der Täter und der Nachgeschichte der Orte.

Ein polnischer KZ-Überlebender zeigt einem Soldaten der US-Armee den Krematoriumsofen im befreiten KZ Mittelbau-Dora
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Ein polnischer KZ-Überlebender zeigt einem Soldaten der US-Armee den Krematoriumsofen im befreiten KZ Mittelbau-Dora, April 1945.
Frauen aus dem Buchenwalder Außenlager Penig
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Frauen aus dem Buchenwalder Außenlager Penig nach der Befreiung, nach dem 17. April 1945.

Der Blog #otd1945 war Teil des digitalen Angebots der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora anlässlich des 76. Jahrestags der Befreiung im April 2021. Mit dem Kürzel „otd“ (on this day) werden in den Social Media Beiträge markiert, die sich auf historische Ereignisse beziehen, die an diesem Tag stattfanden. Begleitet und beworben wurde der Blog über die Social Media-Kanäle der Stiftung. Nachzulesen sind die insgesamt 144 Blogbeiträge unter: liberation.buchenwald.de/otd1945

Die Politologin und Historikerin Anett Dremel leitet die Dokumentationsstelle der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora.

Der Historiker Michael Löffelsender promovierte mit einer Studie zur Justiz im Nationalsozialismus und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gedenkstätte Buchenwald.

Der Historiker Karsten Uhl ist Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora.


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