Gedenkstätte Buchenwald

Erinnerungen an ...

Foto: Juliane Werner, 2008.

22.10.1925 – 11.9.2023

Éva Fahidi wurde am 22. Oktober 1925 in Debrecen/ Ungarn als Tochter des großbürgerlichen Holzhändlers Desiderius Fahidi und Irma Fahidi geboren. 1933 wurde ihre Schwester Gilike geboren, 1936 konvertierte die jüdische Familie zum Katholizismus. Éva und ihre Schwester besuchten die Klosterschule. Ende der 1930er-Jahre wurden in Ungarn immer strengere antisemitische Gesetze eingeführt, die die jüdische Bevölkerung immer stärker aus der Gesellschaft ausschlossen.

Als im Frühjahr 1944 die deutsche Wehrmacht Ungarn besetzte, musste die Familie Fahidi ins Ghetto übersiedeln. Ende Juni wurde die jüdische Bevölkerung der Stadt in einer Ziegelfabrik zusammengetrieben und in mehreren Transporten unter der Leitung von Adolf Eichmann nach Auschwitz deportiert, im letzten Transport am 27. Juni 1944 auch die Familie Fahidi. Nach der Ankunft wurde Éva Fahidi von ihrer Mutter und Schwester getrennt, die beide im Gas ermordet wurden. Der Vater starb wenig später. Fast ihre gesamte Großfamilie, insgesamt 49 Personen, fiel der Shoa zum Opfer.

Éva Fahidi, selber als „arbeitsfähig“ selektiert, wurde mit weiteren 999 ungarischen Jüdinnen Mitte August 1944 zur Zwangsarbeit in ein Außenlager des KZ Buchenwald transportiert. In Münchmühle, beim hessischen Allendorf, musste sie in der Granatenproduktion für ein Unternehmen der IG Farben arbeiten.

Im März 1945 von amerikanischen Truppen auf einem Todesmarsch befreit, kehrte Éva Fahidi nach Ungarn zurück. Durch die Folgen der schweren Arbeit konnte sie ihren Traum, Pianistin, zu werden, nicht verwirklichen und arbeitete im Außenhandel in Budapest. Nach 1989 gründete sie ein Unternehmen und exportierte Handarbeiten. Als Markennamen wählte sie, in Erinnerung an ihre kleine Schwester „Gili“, als Logo ein kleines tanzendes Mädchen mit Zöpfen. „Wenn Gili irgendwo lebt und ihr zufällig so eine Handarbeit in die Hände kommen würde, würde sie erkennen, dass es eine an sie gerichtete Botschaft war. Denn seinen Namen vergisst man nicht, schrieb Éva Fahidi-Pusztai in ihrem Buch „Die Seele der Dinge“.

59 Jahre nach ihrer Deportation besuchte sie 2003 erstmals die Gedenkstätte in Auschwitz. Erst danach brach sie ihr Schweigen.

Éva Fahidi-Pusztai engagierte sich in ihrer Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Buchenwald u. a. dafür, dass das Schicksal der jüdischen Frauen nicht in Vergessenheit gerät. Gerade angesichts aktueller gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen, auch in Ungarn, setzte sie sich gegen die Umdeutung der Vernichtung der ungarischen Juden sowie für die Verurteilung letzter noch lebender Täter:innen aus den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern ein.

Sie gehörte dem Häftlingsbeirat KZ Buchenwald an der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und dem Internationalen Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos an. 2012 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. 2014 wurde sie Ehrenbürgerin von Stadtallendorf, 2020 von Weimar.

Anlässlich der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2014 sagte sie im Thüringer Landtag: „Wir sind Großeltern und das Schicksal unserer Enkelkinder ist uns das Wichtigste. Ich selbst bin mit vier Enkelkindern an der Zukunft interessiert. Das Beste, was ich ihnen wünschen kann – wenn es auch noch so utopisch klingt – ist, dass sie sich ein angstloses Leben schaffen. Dass sie sich eine demokratische Gesellschaft erbauen, in der institutioneller Hass unbekannt ist.“

Ihre Stimme, voller eleganter Klugheit und eindringlicher Herzlichkeit, wird uns und dem Kampf für Demokratie und Menschenrechte in Europa fehlen.

Schwarz-Weiß-Portrait von László (Vasile) Nussbaum
Foto: Juliane Werner, 2008

12.3.1928 – 26.8.2023

László (Vasile) Nussbaum wurde in eine jüdische Familie geboren. In Turda (Siebenbürgen) besuchte er die Schule und den Cheder. Aus Furcht vor der faschistischen und antisemitischen „Eisernen Garde“ in Rumänien siedelte seine Familie 1940 nach Ungarn über. Als die Deutschen das Land 1944 besetzten, mussten sie in das Ghetto von Kassa ziehen. Von dort aus wurden die Nussbaums nach Auschwitz deportiert. Bei der Ankunft im Lager wurde die Familie getrennt. Seine Eltern und sein Bruder wurden dort ermordet. László kam im Oktober 1944 nach Niederorschel, ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald im thüringischen Eichsfeld. Dort musste er Zwangsarbeit für die Junkers-Werke leisten. Nach der Räumung des Lagers am 1. April 1945 durch die SS wurde er nach Buchenwald getrieben. Das Hauptlager erreichte er am 10. April 1945, einen Tag vor der Befreiung.

Nach Kriegsende kehrte er in seine Heimatstadt Turda zurück. Dort lebte er bei seiner Tante und seinem Onkel, holte seine Schulbildung nach und studierte. Wegen eines kritischen Artikels über die Niederschlagung des Ungarischen Aufstands 1956 verlor er seine Stelle als Hochschullehrer und wurde Bibliothekar in der Universitätsbibliothek.

Vasile Nussbaum lebte bis zu seinem Tod in Cluj-Napoca und war in der jüdischen Gemeinde aktiv. Im Internationalen Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos engagierte er sich als Vizepräsident für Rumänien. Noch im April 2023 nahm er an den Gedenkveranstaltungen anlässlich des 78. Jahrestags der Befreiung des KZ Buchenwald in Weimar teil. Am 23. Juni 2023 verlieh ihm die Stadt Weimar die Ehrenbürgerwürde.

Schwarz-Weiß-Portrait von Fritz Wagner
Zeitzeugengespräch in der Jugendbegegnungsstätte der Gedenkstätte Buchenwald 2015 mit Prof. Dr. Wagner.
Foto: Peter Hansen

28.11.1929 – 16.7.2023

Fritz Wagner wurde in Rudolstadt geboren – wie er in einem Interview 2017 sagte – „in eine ausgesprochen glückliche Familie“. Der familiäre Rückhalt durch seine Eltern und seine Schwester hat ihn vermutlich auch durch die schwersten Zeiten seiner Biographie, die Haftzeiten im Gefängnis Saalfeld und im sowjetischen Speziallager Nr. 2 in Buchenwald, getragen. Sein Vater war Studienrat für alte Sprachen im Gymnasium Rudolstadt.

 

Als Zehnjähriger wurde Fritz Wagner in das Jungvolk der Hitlerjugend aufgenommen, wo er bis zum Kriegsende zum Fähnleinführer aufstieg und damit eine Funktion übernahm, in der er vier Gruppen von jeweils 40 Hitlerjungen, die „Jungzüge“, beaufsichtigen sollte. Dieser relative Aufstieg des 15-Jährigen kam auch durch die Einziehung der etwas Älteren zur Wehrmacht zustande. Er selbst war 1943 zunächst wegen eines Herzfehlers zurückgestellt worden, ein Jahr später wurde er dennoch in das letzte Volkssturm-Aufgebot eingezogen. Fritz Wagner hatte Glück: Der einarmige Kompanieführer, der die Volkssturm-Kompanie mit Jugendlichen anführte, versuchte das Kampfgeschehen zu umgehen und brachte die Gruppe zuletzt bis nach Österreich. Nach Kriegsende macht sich Fritz Wagner gemeinsam mit drei anderen zu Fuß auf den langen Weg nach Thüringen. Die Gruppe verlor sich unterwegs aus den Augen. Erst in den 1990er-Jahren sollten sie sich in der Arbeitsgruppe der Gedenkstätte Buchenwald zur Aufarbeitung der Speziallagergeschichte wiedersehen: Alle vier waren nach ihrer Rückkehr aus dem Volkssturmeinsatz im Speziallager Nr. 2 inhaftiert gewesen. Zu dieser Gruppe gehörte auch Rudolf Butters (1929–2022) aus Pößneck, der seit den 1990er-Jahren in vielen Interviews über seine Erfahrungen der Haftzeit in Saalfeld, Buchenwald und Karaganda gesprochen hatte.

Nach seiner Rückkehr nach Rudolstadt wurde Fritz Wagner im Dezember 1945 im Alter von 16 Jahren festgenommen. Ein halbes Jahr lang wurde er im Gefängnis Saalfeld festgehalten, wo er unter Schlägen und extremer Gewaltanwendung verhört wurde. Aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als Fähnleinführer im Jungvolk war ihm vorgeworfen worden, Angehöriger einer bewaffneten Untergrundorganisation (Werwolf) zu sein, um gegen die Besatzungsmacht zu kämpfen. Die Vorwürfe bestätigten sich während den langen Vernehmungen nicht. Am 14. Juni 1946 wurde er in das Speziallager Nr. 2 in Buchenwald gebracht. Er erlebte dort den Hungerwinter 1946/47 und die hohe Todesrate unter den Insassen. Von Jahresbeginn 1947 bis zu seiner Entlassung im Sommer 1948 war er im Lazarett als Sanitäter tätig. Die Erfahrungen, die er dort machte, prägten seinen weiteren Lebensweg.

Nach der Entlassung aus dem Speziallager 1948 beendete er die Schule mit dem Abitur und begann ein Studium der Medizin. Nach einer Ausbildung zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe widmete er sich erfolgreich der wissenschaftlichen Tätigkeit und hospitierte nach seiner Habilitation in der Frauenklinik der Akademie der Medizinischen Wissenschaften der Sowjetunion in Leningrad. Bis zu seinem Ruhestand war er als Professor, Hochschullehrer und Direktor der Frauenklinik der Medizinischen Akademie Erfurt tätig.

Nach seiner Pensionierung setzte er sich intensiv für die Aufarbeitung der Speziallagergeschichte ein und gehörte dem Beirat der ehemaligen Häftlinge des Speziallagers Nr. 2 an. In zahlreichen Zeitzeugengesprächen teilte er seine Erfahrungen jungen Menschen mit. Die Gedenkstätte erinnert mit großer Dankbarkeit an das Engagement von Prof. Dr. med. Fritz Wagner für die Aufarbeitung der Speziallagergeschichte und an seinen differenzierten Blick auf deren komplexe historische Zusammenhänge.


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