Gedenkstätte Buchenwald

Weimar im Nationalsozialismus – Ein Stadtplan

Mit der Eröffnung des neuen Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus gibt die Gedenkstätte Buchenwald den vergriffenen Stadtplan „Weimar im Nationalsozialismus“ in einer aktualisierten Neuauflage wieder heraus.

Zusehen ist ein Seitenausscnitt des Stadtplans "Weimar im Ns". Unter dem Ausschnitt befindet sich ein QR-Code, der zum Download des Stadtpalns führt.

In der Stadt Weimar ist bis heute wie nirgendwo sonst zu sehen, was der nationalsozialistische Anspruch, eine neue, rassistisch definierte Gesellschaft zu errichten, bedeutete. Der Stadtplan führt zu 35 ausgewählten Stätten, an denen sich der Gestaltungswille des Nationalsozialismus besonders manifestiert hat.

Mit den Planungen zum Weimarer Gauforum hatte sich nicht nur ein Muster für die Gestaltung neuer nationalsozialistischer Zentren in den Gauhauptstädten des Deutschen Reiches herausgebildet. Auch in Weimar selbst wurde seine Architektur zum Vorbild für zahlreiche weitere Bauten. In der Diktion der Nationalsozialisten sollte mit ihnen die „deutsche Kulturstadt“ von „undeutschen“ Gestaltungen „bereinigt“ werden.  

Gemeinsam mit seiner Frau Hedwig führte Kurt Nehrling im Durchgang zur Wohnanlage auf der rechten Seite ein Wäsche- geschäft. Kurt Nehrling, 1899 in Weimar geboren, trat bereits im Alter von 19 Jahren in die SPD ein. Der gelernte Schlosser war als Beamter im Öffentlichen Dienst tätig, bis er 1933 aus politischen Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. Um seine Familie zu ernähren, gründete er das Wäschegeschäft, das sich zu einem Treffpunkt für eine Widerstandsgruppe Weimarer Sozialdemokrat:innen entwickelte. 1939 wurde Nehrling als Buchhalter für die Polizeikasse wieder in den Landesdienst verpflichtet. Als er an seinem Arbeitsplatz Kritik am NS-Regime übte, denunzierten ihn 1942 Mitarbeiter. Im September 1943 wurde Kurt Nehrling zum Tode verurteilt und am 22. Dezember 1943 im KZ Dachau ermordet.

1869 als Großherzogliches Museum gegründet, wurde das Haus in der Weimarer Republik unter dem Namen Thüringisches Landesmuseum zu einem Forum zeitgenössischer Kunst. Ab Juli 1933 war es für vier Jahre Sitz des Reichsstatthalteramts unter Fritz Sauckel, das sich in zwei Etagen der rechten Gebäudehälfte einmietete. Im Frühjahr 1939 sahen im Landesmuseum 50.000 Besucher die Wanderausstellung "Entartete Kunst“, in der die Kunst der Moderne, u. a. Werke von Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und Paul Klee, als „krank“ und „verfallen“ diffamiert wurde.

Nach Vollendung des Gauforums war der Umzug des Reichsstatthalteramts in dessen südlichen Flügel geplant. Fritz Sauckel sollte im ersten Stock ein überdimensioniertes Arbeitszimmer bekommen, das zusätzlich durch einen Balkon und ein abgesetztes Eingangsportal hervorgehoben wurde. Ein im Gebäude liegender großer, repräsentativer Saal sollte von der Stadt, von Süden aus, über eine „Fahnenhalle“ erreicht werden. In diesem Teil des Gebäudes wird das Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus eingerichtet.

Mit der Errichtung des Gauforums wurde der gesamte nördliche Teil der Weimarer Jakobsvorstadt abgetragen. 1.650 Menschen verloren ihre angeblich „alten, ungesunden und unzeitgemäßen“ Wohnungen. Stattdessen entstand im völkischen Heimatschutzstil eine neue Straßenführung, die vorläufig „X-Straße“ genannt wurde –  ihr wurde noch kein Name gegeben, da man sie nach einem Kriegshelden benennen wollte, der noch nicht gefunden war.

Als 1931 der Reformarchitekt Heinrich Tessenow mit dem Erweiterungsbau des Goethe-Nationalmuseums beauftragt wurde, lehnte ihn der damals in Thüringen amtierende Bildungsminister der NSDAP, Wilhelm Frick, als „wesensfremd“ ab. Für den dann verwirklichten Bau eines Thüringer Architekten kamen auf Anweisung Hitlers mehr als die Hälfte der benötigten Gelder aus den Finanzen des Reiches. Im Museum verkündete eine Tafel: "Erweiterungsbau geschaffen durch die großzügige Unterstützung des Führers Adolf Hitler im dritten Jahre seiner Regierung eingeweiht an Goethes Geburtstag 1935."

Am 25. August 1900 starb Friedrich Nietzsche körperlich gelähmt und geistig verwirrt in Weimar. Seine deutschnational und antisemitisch orientierte Schwester hatte den Kranken drei Jahre zuvor in die „Villa Silberblick“ gebracht, weil sie glaubte, hier ein besseres Umfeld für das von ihr gegründete Nietzsche-Archiv zu finden. Im Nationalsozialismus wurden die bestehenden Pläne für eine Gedächtnishalle neben der Villa wiederaufgegriffen, Hitler selbst lieferte dafür den finanziellen Grundstock. Den auf Intervention von Sauckel und Speer immer größer werdenden Plänen standen jedoch nicht ausreichende Finanzen gegenüber, mit Kriegsbeginn kam Materialmangel hinzu. Die Halle war erst 1944 weitgehend fertiggestellt. Seit 1946 wurde sie als Funkhaus genutzt, seit 2000 steht sie leer.

Wegen angeblicher Baufälligkeit wurde das Hotel Elephant 1937 bis auf die Grundmauern abgerissen und innerhalb eines Jahres durch ein neues Gebäude ersetzt, das „in erster Linie dazu bestimmt [war], dem Führer und Reichskanzler während seines Aufenthaltes in Weimar ein würdiges und auch wohnliches Heim zu bieten“. Den Bauauftrag erhielt Hermann Giesler, der Architekt des Gauforums. Im ersten Stock, zum Garten hin, gestaltete er eine ganz in deutschen Edelhölzern gehaltene 4-Raum-Suite, die ausschließlich dem „Führer“ vorbehalten war. Der Balkon zur Marktseite war auch als Rednertribüne vorgesehen, durch Fahnenstangen und ein Relief des Reichsadlers hervorgehoben. Bei den zahlreichen Weimarbesuchen von Adolf Hitler wurde der Markt als Aufmarschplatz genutzt. Die Weimarer Bevölkerung stimmte Sprechchöre an: „Lieber Führer, bitte, bitte, lenk auf den Balkon die Schritte.“

Die 1933 geschaffene Behörde propagierte die „Befreiung des Lebensstromes unseres Volkes von kranken und fremden Erban- lagen“. Ihr Präsident war der ehemalige Sportarzt Karl Astel, der gute Kontakte zu Fritz Sauckel und Heinrich Himmler unterhielt. Er glaubte an die Überlegenheit der „nordischen Rasse“ und setzte sich vehement für die Ermordung von Menschen mit Behinderungen ein. In Jena erhielt er eine Professur für „Menschliche Züchtungslehre und Vererbungsforschung“, wurde 1939 gar zum Rektor der Universität. Sein Amt nutzte die Daten der Gesund- heitsämter und betrieb die systematische Erfassung der Thüringer Bevölkerung in „Sippschaftstafeln“, verglich die Fortpflanzung von Studenten, Bauern und Staatsbediensteten, führte Listen von Kriminellen und Homosexuellen. Am Ende stufte es Menschen als „Arier“ oder „Nichtarier“ ein, aufgrund seiner Gutachten wurden Tausende zwangssterilisiert. Das Landesamt sollte später mit einem eigenen „Haus der Rasse“ in das Gauforum integriert werden. Neben einer Dauerausstellung war darin ein „Erbarchiv“ mit 6.250 laufenden Metern Regalfläche für über eine Million Archivmappen geplant.

Für die Viehauktionen der Landesbauernschaft Thüringens entstand 1940 am Güterbahnhof ein mehrgeschossiger Fachwerkbau, der 400 Ställe und 6.600 Zuschauerplätze vorsah. Anfang Mai 1942 diente die Halle als Sammelort für die Thüringer Juden. Vor ihrer Deportation wurden sie hier brutal auf Wertsachen untersucht, beraubt und verprügelt. Die meisten der etwa 1.000 Menschen wurden über das Ghetto Bełżyce in das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek verschleppt, wo sie ermordet wurden. Im April 2015 brannte die verwahrloste Halle nach einer Brandstiftung von drei Jugendlichen vollständig nieder. Eine parkähnliche Anlage ist im Entstehen, die hier erstmals an die Deportation der Thüringer Juden erinnern soll. 

Bis zur Errichtung eines Krankenbaus im KZ Buchenwald wurden Häftlinge und SS-Männer im Städtischen Krankenhaus Weimar behandelt. Dessen Personal konnte sich schon aufgrund der Verletzungen eine Vorstellung von der Situation im KZ machen. Um den deutschen „Volkskörper“ von „schädlichem Erbgut“ zu befreien, fanden hier auch bis 1939 Zwangssterilisationen Hunderter von Häftlingen statt. Auch Bürger aus Weimar – zwischen 1934 und 1943 mindestens 700 Personen – wurden zwangssterilisiert. Später erfolgten hier zwischen 1943 und 1945 mindestens hundert Zwangsabtreibungen an polnischen, russischen und ukrainischen Zwangsarbeiterinnen, um nicht auf ihre Arbeitskraft verzichten zu müssen. Das Krankenhaus bestand bis in die 1990er-Jahre.Im Rahmen eines Umbaus für die Polizeiinspektion Weimar wurden weite Teile der baufälligen Anlage abgetragen.

Das Wirtschaftsimperium „Wilhelm-Gustloff-Werke. Nationalsozialistische Industriestiftung Weimar“ geht auf die Enteignung der jüdischen Firma Simson in Suhl Ende 1935 zurück. Die Stiftung übernahm 1936 die in Weimar ansässige größte deutsche Waggon- fabrik, benannte sie nach dem Stiftungsführer in Fritz-Sauckel- Werk um und verlegte auch ihren Dienstsitz hierher. Bald produzierte man fast ausschließlich für die militärischen Pläne des Deutschen Reiches. Neben Gewehren und Flakgeschützen wurden auch Windkraftanlagen entwickelt, die von der SS in den eroberten Gebieten im Osten eingesetzt werden sollten. Anfang 1945 waren neben nur 1.800 deutschen Zivilarbeitern etwa 2.500 KZ-Häftlinge sowie 1.700 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt. Häufig arbeiteten sie eng zusammen. Dabei kam es hin und wieder zu Tauschgeschäften. Für Häftlinge konnten eingetauschte Nahrungsmittel lebensrettend sein. Andere Arbeiter spielten ihre bessere Position gegenüber den Häftlingen aus, zeigten sie bei der SS an oder misshandelten sie selbst. Da die Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge bei Luftangriffen grundsätzlich weiterarbeiten mussten, starben mindestens 600, darunter 412 KZ-Häftlinge, bei einem schweren Bombenangriff auf das Rüstungswerk am 9. Februar 1945.

Bis 1945 befand sich auf dem damaligen Watzdorfplatz ein Denkmal zur Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. Es wurde nach 1945 abgetragen. In Erinnerung an die Toten des KZ Buchenwald wurde der Platz noch im selben Jahr in Platz der 51.000, 1958 in Platz der 56.000 umbenannt. Geplant war zunächst ein „Völkerdenkmal der Widerstandbewegung“, das den gesamten Platz umfassen sollte. Es wurde nicht verwirklicht. An seiner Stelle entstand das erste Denkmal der DDR für Ernst Thälmann, den am 18. August 1944 in Buchenwald ermordeten Reichstagsabgeordneten und Vorsitzenden der KPD. Es stammt vom Dresdener Bildhauer Walter Arnold und zeigt Ernst Thälmann als kämpferischen Redner in seiner Zeit als Politiker der Weimarer Republik. Am 17. August 1958 wurde die Statue feierlich enthüllt. Die Mauer, die den Platz nach Westen begrenzt, trägt die Inschrift: „Aus Eurem Opfertod wächst unsere sozialistische Tat.“ Symptomatisch für den Antifaschismus der DDR zeigt die Geschichte des Denkmals, wie das Gedenken an alle Toten der Konzentrationslager hinter der Erinnerung an kommunistische Helden verschwand. Seit 1991 trägt der Platz den Namen Buchenwaldplatz.


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