Der Warschauer Aufstand reiht sich in eine Folge von mehreren bewaffneten Aufständen ein, die Polinnen und Polen im 19. und 20. Jahrhundert unternahmen. Alle hatten ein gemeinsames Ziel: Unter den äußerst ungünstigen geopolitischen Bedingungen des 19. Jahrhunderts ging es um die Errichtung eines unabhängigen Staates oder – zu Anfang des 20. Jahrhunderts – um den Anschluss Großpolens und Schlesiens an den neu entstandenen polnischen Staat. Von den Aufständen des 19. Jahrhunderts ist bis heute nur ein blasser Schimmer der Erinnerung übrig. Sie ist inzwischen zu einer Randnotiz geschrumpft und gleicht einer Legende, die distanziert betrachtet und teilnahmslos zur Kenntnis genommen wird. Anders verhält es sich mit den Aufständen, die in Großpolen oder in Oberschlesien ausbrachen: Die Erinnerung an sie wird im regionalen Gedächtnis wachgehalten. Trotzdem bewegt sie die polnischen Gemüter bei weitem nicht so stark wie die Erinnerung an den Warschauer Aufstand, der in ganz Polen gleichermaßen wichtig ist. Für viele gleicht die Erhebung von 1944 – auch nach den vielen Jahren, die seitdem vergangen sind – einer offene Wunde, selbst wenn die Aufstandserfahrung nicht zu ihrer persönlichen oder zu ihrer Familiengeschichte gehört. Über den Warschauer Aufstand wird diskutiert und über seine Bedeutung gestritten. Jubiläumsfeiern und Gedenkveranstaltungen werden von Politiker:innen als Gelegenheit benutzt, ihr Image aufzupolieren. Die letzten lebenden Aufständischen werden als Sinnbilder des Heldentums betrachtet, und niemand stellt dies in Frage. Wie lebendig diese Erinnerung ist, wird Jahr für Jahr am ersten August um 17 Uhr erlebbar: Um die Gefallenen und Ermordeten zu ehren, heulen Sirenen nicht nur in Warschau, sondern auch in anderen polnischen Großstädten auf, während Passant:innen und Verkehr zum Stehen kommen. Der Aufstandsmythos wird im Gedächtnis bewahrt und bleibt lebendig trotz der verstrichenen Zeit. Während die Kommunist:innen nach der Machtübernahme in Polen 1944/1945 versuchten, die Anführer der Heimatarmee (Armia Krajowa, AK) zu diskreditieren – indem sie immer wieder betonten, der Aufstand sei ein Akt antisowjetischer Politik der polnischen Exilregierung gewesen – nahm die Bedeutung dieses Mythos innerhalb der nationalen Vorstellungswelt der Polinnen und Polen immer mehr Raum ein. Obwohl die Erhebung in Warschau mit dem Tod von schätzungsweise 150-200.000 Zivilist:innen endete und die Heimatarmee ausbluten ließ, wurde sie für den Großteil der Bevölkerung eher zum Sinnbild eines notwendigen Opfers für die Freiheit als zur Warnung vor Krieg und falschen politischen Entscheidungen.
Auch in den polnisch-deutschen Beziehungen ist der Warschauer Aufstand immer noch eine offene Wunde – trotz der nahezu 80 vergangenen Jahre, der wiederholten Entschuldigungen seitens der bundesrepublikanischen Eliten und erfolgreicher Zusammenarbeit der beiden Länder innerhalb der Europäischen Union. Dies sollte nicht überraschen, da der Aufstand (zumindest in polnischen Augen) der beste Beweis für die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen bleibt. An diese Ressentimentsknüpft die polnische Rechte, vertreten durch die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) gerne an, wenn sie ihre Wählerschaft mobilisieren will. Es muss aber auch erwähnt werden, dass die radikalen Politiker:innen keinen Grund hätten, historische Ressentiments und patriotische Erpressung in Polen auszunutzen, wenn es nicht die tief wurzelnde Überzeugung gäbe, im Krieg Unrecht seitens der Deutschen erlitten zu haben.
Auch in den polnisch-deutschen Beziehungen ist der Warschauer Aufstand immer noch eine offene Wunde – trotz der nahezu 80 vergangenen Jahre, der wiederholten Entschuldigungen seitens der bundesrepublikanischen Eliten und erfolgreicher Zusammenarbeit der beiden Länder innerhalb der Europäischen Union. Dies sollte nicht überraschen, da der Aufstand (zumindest in polnischen Augen) der beste Beweis für die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen bleibt. An sie knüpft die polnische Rechte, vertreten durch die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) gerne an, wenn sie ihre Wählerschaft mobilisieren will. Es muss aber auch erwähnt werden, dass die radikalen Politiker:innen keinen Grund hätten, historische Ressentiments und patriotische Erpressung in Polen auszunutzen, wenn es nicht die tief wurzelnde Überzeugung gäbe, im Krieg Unrecht seitens der Deutschen erlitten zu haben.