Anfang Mai 2024 eröffnet die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora das Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus im ehemaligen Gauforum in Weimar. Zentral in der Innenstadt schafft die Stiftung damit ihre dritte Einrichtung für historisch-politische Bildung und zur Vermittlung der Geschichte nationalsozialistischer Verbrechen.
Museum Zwangsarbeit
Das neue Museum behandelt die Geschichte der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus vor einem weiten historischen und thematischen Panorama: Von der Machtübernahme der Nationalsozialist:innen 1933 bis in die Wiedergutmachungsdebatten der Gegenwart, von der Ausbeutung von Zwangsarbeiter:innen im von den Deutschen besetzten Europa bis zu deren millionenhaften Verschleppung ins Deutsche Reich. Die gesamteuropäischen Dimensionen der NS-Zwangsarbeit werden den Besuchenden dabei in über 60 Fallgeschichten nähergebracht.
2007 | Beginn der Recherchen für die Wanderausstellung, gefördert durch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ)
September 2010 | Ersteröffnung der Wanderausstellung unter dem Titel „Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ im Jüdischen Museum Berlin
2011 – 2016 | Stationen der Ausstellung in: Moskau (Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges), Dortmund (LWL-Industriemuseum – Zeche Zollern), Warschau (Königsschloss), Prag (Belvedere der Prager Burg), Hamburg (Museum der Arbeit) und Steyr (Museum Arbeitswelt)
2013 | Machbarkeitsstudie zur Einbringung der Ausstellung im ehemaligen Gauforum in Weimar
2017 | Planungsauftrag für die Haushaltsunterlage-Bau (HU Bau) durch den Freistaat Thüringen sowie Projektförderung der Stiftung EVZ zur wissenschaftlichen und pädagogischen Weiterentwicklung der Wanderausstellung zum Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus
2020 | Beginn der Baumaßnahmen des Freistaats Thüringen zur Schaffung der Museumsräume im ehemaligen Gauforum
2021 | Projektförderung der Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien (BKM) zur baulichen Anpassung und Einbringung der Ausstellung in das ehemalige Gauforum
November 2022 | Ein Brand im Dachstuhl über den zukünftigen Museumsräumen verzögert die Bauarbeiten um mehrere Monate
Mai 2024 | Eröffnung des Museums Zwangsarbeit im Nationalsozialismus
Die Dauerausstellung des Museums Zwangsarbeit im Nationalsozialismus setzt sich gezielt mit der gewaltsamen Beziehungsgeschichte von Deutschen und Zwangsarbeiter:innen auseinander. Sie zeigt unterschiedliche Einstellungen und beleuchtet Handlungsspielräume von Beteiligten. Sie erzählt an vielen Beispielen, was Zwangsarbeit bedeutete und wo sie stattfand: etwa in den ersten Konzentrationslagern noch in den 1930er-Jahren, in den Ghettos für Jüdinnen und Juden im besetzten Polen, im Handwerksbetrieb um die Ecke, bei BMW in München Allach oder bei der Produktion von Raketen im KZ Mittelbau-Dora. Sie schildert unter anderem beispielhaft die Schicksale von polnischen Zwangsarbeiter:innen in der Landwirtschaft, von russischen Kriegsgefangenen am Polarkreis in Norwegen oder von italienischen Militärinternierten in Kahla in Thüringen. Sie zeigt das Schicksal von schwangeren Russinnen, Ukrainerinnen und Polinnen, die zur Abtreibung gezwungen wurden oder deren Säuglinge, die deutsche Verantwortliche bewusst der Verwahrlosung und dem Sterben überließen.
Doch das Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus versteht sich nicht allein als Ausstellungsort. Mit der Nachnutzung des ehemaligen Gauforums in Weimar als Museumsstandort und zugleich als neuer Akteur im Quartier Weimarer Moderne werden sowohl die Bezugnahme zur Stadtgeschichte als auch die Vernetzung mit den anderen Institutionen vor Ort – allen voran mit dem Bauhaus-Museum und dem Museum Neues Weimar – unabdingbare Aufgaben sein. Gleichzeitig wird das Museum die Möglichkeit bieten, NS-Geschichte und ihre Nachwirkungen inmitten eines lebendigen Stadtquartiers zu thematisieren und zu aktualisieren.
Die Plätze am zukünftigen Museum sind nach ehemaligen Buchenwaldhäftlingen benannt: Der Jorge-Semprún-Platz, an dem der Eingang des Museums liegt, ist dem spanischen Schriftsteller und Intellektuellen gewidmet, der sich mit nationalsozialistischem wie auch realsozialistischem Erbe lebenslang auseinandersetzte. Der zwischen Museum Zwangsarbeit und Bauhaus-Museum gelegene Stéphane-Hessel-Platz erinnert an einen der Schöpfer der UN-Menschenrechtscharta, der als französischer Widerstandskämpfer im KZ Buchenwald inhaftiert war (seine jüdische Herkunft konnte Hessel verbergen, was ihm das Leben rettete). Auch aus diesen Bezügen entwickelt das Museum sein Programm, historische und aktuelle Fragestellungen offen und breit zu diskutieren. Bereits die Entstehungszeit begleitend finden öffentliche Gesprächsformate auf dem Stéphane-Hessel-Platz oder im Bauhaus-Museum statt. Auch verschiedene Stadtrundgänge gehören zum Programm. Nach der Eröffnung des Museums Zwangsarbeit stehen großzügige Räumlichkeiten für Bildungsarbeit und Veranstaltungen mit Blick auf den Jorge-Semprún-Platz zur Verfügung.
Der Historiker Daniel Logemann ist Kustos des Museums Zwangsarbeit im Nationalsozialismus.