Buchenwald

Archäologische Grabungen im Steinbruch Buchenwald

Einschätzung der Ergebnisse

Spätestens seit dem Ende der DDR gehörte Buchenwald zu den Orten, die gerade auch Schatzsucher faszinierten. Als selbsternannte Experten vermuteten sie an dem ehemaligen SS-Standort mysteriöse Geheimnisse oder sagenhafte Schätze, darunter Raubgut der Opfer oder gar das Bernsteinzimmer. Immer wieder sah sich die Gedenkstätte deshalb mit Raubgrabungen konfrontiert. Einen besonders spektakulären Fall klärte die Polizei 2015 auf: Ein 50-Jähriger hatte mit Metallsuchgerät und Hacke das als Flächendenkmal geschützte Gedenkstättengelände regelrecht ausgeplündert, eine Vielzahl von Bodenfunden zusammengetragen – darunter Waffenteile, Munition und andere Hinterlassenschaften der SS – und in seinem Wohnhaus gehortet.

Besonderer Kristallisationspunkt der Schatzsucher-Phantasien war jahrzehntelang der frühere Kalksteinbruch des Konzentrationslagers. Seit 1937 hatte die SS dort tausende Häftlinge gezwungen, unter schwersten Arbeitsbedingungen Material für den Gebäude- und Wegebau des Lagers zu gewinnen. Viele von ihnen starben durch Misshandlungen oder wurden durch die Bewacher gezielt ermordet. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges mussten Häftlinge im Steinbruch auch kleinere unterirdische Luftschutzräume anlegen. Dies stand im Zusammenhang mit der Verlegung des SS-Führungshauptamtes in den Standort der Waffen-SS in Buchenwald. Deren Mitarbeiter waren seit Februar 1945 in den Kasernengebäuden oberhalb des Steinbruchs untergebracht.

Foto vom Steinbruch

Nach der Befreiung des KZ Buchenwald am 11. April 1945 fand die US-Armee in zwei der Luftschutzbunker größere Mengen an Raubgut der SS aus den Konzentrationslagern: Ringe, Leuchter, Uhren und Besteck aus Edelmetallen, aber auch Zahngold Ermordeter. Auf die beiden Depots in der südlichen Wand des Steinbruchs wiesen zwei deutsche politische Häftlinge im Zuge der Übernahme des Lagers durch die 1. US-Armee Ende April den verantwortlichen Offizier der militärischen Aufklärung hin. Sie wurden daraufhin geöffnet und Anfang Mai 1945 21 Tonnen an Wertsachen nach Frankfurt am Main gebracht, dort sortiert und in die USA verschifft. Sie sollten nach Möglichkeit an deren Besitzer oder an überlebende Angehörige restituiert werden. Die Zugänge zu den beiden Bunkern ließ die US-Armee wieder zuschütten. Später ging der frühere Steinbruch in das geschützte Denkmalensemble der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald der DDR ein, blieb aber für den Besucherbetrieb unerschlossen.

Seit 1993 gab es in der Öffentlichkeit zum Teil wilde Spekulationen über noch unentdeckte „geheime Depots“ der SS im ehemaligen Steinbruch. Belastbare Hinweise darauf, dass über die beiden 1945 geöffneten Bunker hinaus weitere existieren, gab es lange nicht. Sie wurden weder seitens der USA, der Sowjetunion oder der DDR gefunden. Eine 1994 erstmals veröffentlichte Handskizze, die insgesamt acht Bunker im Steinbruch zeigen soll, trieb dann die Spekulationen zusätzlich an, obwohl Herkunft, Entstehungszeit und -kontext der Skizze bis heute ungeklärt sind. Erst seit Herbst 2018 liegen – angeregt durch mehrjährige Recherchen im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) – belastbare Dokumente vor, die auf weitere Luftschutzräume im Steinbruch Buchenwald hinweisen. Besonders aussagekräftig ist ein am 14. Februar 1945 von der US Air Force aufgenommenes Luftbild. Dieses ließ unterirdische Bauarbeiten an zwei weiteren Stellen vermuten. Unbekannt blieb zunächst noch, wie weit sie die SS vorangetrieben hatte.

Um diese Fragen zu klären, besonders aber, um weiteren Spekulationen die Grundlage zu entziehen und den Charakter des Steinbruchs als Tat- und Leidensort tausender Häftlinge des KZ Buchenwald zu bewahren, stimmte die Stiftung Grabungen unter Fachaufsicht vor Ort zu. Als zentrale Voraussetzungen für die Grabungsgenehmigung wurden die volle Kostenübernahme durch den MDR, die Beachtung aller denkmalpflegerischen Erfordernisse, einschließlich eines so schonend und minimalinvasiven Vorgehens wie möglich, die Wahrung der Totenruhe sowie die abschließend vollständige denkmalgerechte Wiederherstellung des Steinbruchs vertraglich fixiert. Im Rahmen der daraufhin vom MDR in Auftrag gegebenen und medial begleiteten archäologischen Untersuchung durch das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) konnte im Oktober 2019 Klarheit geschaffen werden. Im Zuge von Suchgrabungen in der nördlichen bzw. nordöstlichen Steinbruchwand wurden tatsächlich vier Zugänge zu drei weiteren kleinen Hohlräumen gefunden: Sie waren leer und nur rudimentär ausgebaut. Es fanden sich auch keinerlei Hinweise auf eine etwaige Nutzung der Luftschutzräume für andere Zwecke. Bei den Grabungen wurden etliche Materialien aus der Zeit von 1944/45 gefunden – vor allem Werkzeug- und Waffenteile sowie Munition. Eine Auswahl wird konservatorisch behandelt und für die Sammlung der Gedenkstätte Buchenwald inventarisiert. Einige Großexponate, so etwa zwei zu Lagerzeiten im Steinbruch eingesetzte Loren, verblieben vor Ort. Die unvollendeten Bunker wurden nach ihrer Öffnung im Auftrag der Stiftung digital dokumentiert und von ihnen 3D-Modelle erstellt.

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Angesichts der vorliegenden Befunde entschieden TLDA, MDR und Stiftung einvernehmlich, die Erkundungen einzustellen. Für weitere, noch unentdeckte künstliche Hohlräume im Steinbruch des KZ Buchenwald gab es keinerlei zusätzliche belastbare Indizien, geschweige denn Belege. Anschließend wurden die Eingänge zu den drei Luftschutzbunkern wieder verschlossen und es erfolgte die Wiederherstellung des Steinbruchs als Erinnerungs- und Gedenkort. Zum einen machten ihre geringe Größe und ihr schlechter baulicher Zustand eine Begehbarkeit für Besucher:innen praktisch unmöglich. Zum anderen rechtfertigen die wenigen neuen Erkenntnisse keine Einbindung der Hohlräume in die historisch-politische Bildungsarbeit der Gedenkstätte.

Ungeachtet dessen suggerieren beide Filme, es könnte doch weitere Bunker geben, die während der Grabungen nicht gefunden worden sein könnten. Damit wird der erreichte Erkenntnisgewinn leider wieder in Frage gestellt. Im schlimmsten Fall könnte das sogar neuen Raubgrabungen Vorschub leisten. Das lassen zumindest Kommentare zu dem Filmbeitrag befürchten, den MDR Investigativ unter dem unsachlichen Titel „Geheime Bunker mit Nazi-Gold?“ auf Youtube veröffentlicht hat. So schreibt beispielsweise ein Nutzer: „hab mir das mal auf google maps angeschaut – da kommt man anscheinend auch gut von hinten mit nem bagger ran... glaube nicht, dass das gelände nachts allzu streng bewacht wird....“ Gleichzeitig wird auch das Agieren des MDR kritisiert, indem etwa suggeriert wird, zumindest einer der Bunker sei gar nicht leer gewesen, und die wahren Funde würden – aus welchen Gründen auch immer – verheimlicht.

 

Trotz solcher Spekulationen bleibt zu hoffen, dass der ehemalige Steinbruch nach der erfolgten Wiederherstellung nun dauerhaft das sein kann, was er in Wahrheit ist: ein eindrückliches Denkmal für die Verbrechen der SS und das Leiden der Häftlinge des KZ Buchenwald.

Philipp Neumann-Thein ist stellvertretender Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

Carolsue Holland, Thomas Rothbart: The Merkers and Buchenwald Treasure Troves. In: After the Battle, Nr. 93, 1996, S. 1-25.


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