Buchenwald

80 Jahre danach:

„Der Überfall auf die Sowjetunion“. Eine Outdoor-Ausstellung an drei Orten

Station der Outdoor-Ausstellung von Weitem

©Katharina Brand

Fragende Blicke waren im Sommer und Herbst 2021 bei nicht wenigen Besuchenden der Gedenkstätte Buchenwald zu beobachten, nachdem sie das ehemalige Häftlingslager betreten hatten. Farbige hölzerne Konstruktionen im Gelände, auf ihnen wehende silberne Fahnen, gaben ihre Funktion für die meisten erst auf den zweiten oder dritten Blick preis: Es waren Stationen einer temporären Outdoor-Ausstellung. Ihre auffallende Gestaltung – inspiriert von Entwürfen der osteuropäischen Avantgarde der 1920er Jahre – war als bewusste Störung und Intervention im Gelände angelegt. Ihr Thema: Der Überfall auf die Sowjetunion.

Am 22. Juni 1941 überfiel Nazi-Deutschland die Sowjetunion. Es ging um die Eroberung von Land, den Raub von Ressourcen, um die Versklavung der Bevölkerung und die systematische Ermordung von Juden und Roma. Mit 27 Millionen Opfern und zahllosen verbrannten und verwüsteten Orten trug die Sowjetunion die Hauptlast des Zweiten Weltkrieges. Doch welche Auswirkungen hatten der Überfall auf und der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion für das Konzentrationslager Buchenwald? Die Ausstellung näherte sich dieser Frage schlaglichtartig über die Geschichte dreier Orte im Lagergelände – drei Orte, die für die Geschichte der sowjetischen Häftlinge im Konzentrationslager Buchenwald von besonderer Bedeutung sind. Gleichzeitig waren und sind es Orte, die für gewöhnlich etwas abseits der klassischen Besucherströme liegen. Die Ausstellung brachte sie mit konkreten Geschichten und Schicksalen der öffentlichen Wahrnehmung wieder näher.

Station 1 markierte den historischen Ort „Block 8“. Unter den über 30.000 sowjetischen Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen, die die Gestapo oft wegen kleinster Vergehen ab Mitte 1942 in das Konzentrationslager Buchenwald einwies, befanden sich viele Jugendliche, manche kaum dem Kindesalter entwachsen. Für viele Jungen aus der Ukraine, Belarus und Russland wurde die Holzbaracke mit der Nummer 8 zur Durchgangsstation. Auf Betreiben politischer Häftlinge fungierte sie ab Sommer 1943 als „Kinderblock“ des Lagers. Die Untergrundorganisation der Häftlinge sorgte für zusätzliche Lebensmittel, Kleidung und medizinische Hilfe. Selbst Unterricht gab es. Neben den Jungen aus der Sowjetunion kamen ab 1944 auch jüdische Kinder aus Polen und Ungarn in Block 8 unter. Für viele wurde er zum Ort ihrer Rettung.

Detail der Outdoor-Ausstellung: Auf der Tafel ist das Foto eines Verhafteten zu sehen.
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Station der Outdoor-Ausstellung von Weitem
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Station 2 markierte das Gelände des ehemaligen Sonderlagers für sowjetische Kriegsgefangene. Vom ersten Tag des Überfalls auf die Sowjetunion verstieß die Wehrmacht im Umgang mit sowjetischen Kriegsgefangenen vorsätzlich gegen die völkerrechtlichen Konventionen. Zur Zwangsarbeit verlegte sie im Oktober 1941 die ersten 2.000 sowjetischen Kriegsgefangenen aus einem Stalag bei Hamburg in das Konzentrationslager Buchenwald. Untergebracht wurden sie in einem umzäunten separaten Teil des Häftlingslagers. Innerhalb von sechs Monaten starben in diesem Sonderlager für sowjetische Kriegsgefangene 600 Männer an Krankheiten und Hunger. Ab 1942 mussten die Kriegsgefangenen im Steinbruch und beim Bau der Buchenwaldbahn arbeiten. Auch an Firmen in der Umgebung vermietete die SS ihre Arbeitskraft. Insgesamt durchliefen rund 3.500 sowjetische Kriegsgefangene das Sonderlager in Buchenwald. Durch ihre Uniformen unterschieden sie sich von den übrigen Häftlingen des Konzentrationslagers. In der geheimen Untergrundorganisation des Lagers spielten sie eine zentrale Rolle.

Die dritte Station führte zum Tatort des größten planmäßig betriebenen Massenmords in der Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald: dem „Pferdestall“. Im Oktober 1941 richtete die SS dort eine Erschießungsanlage ein. Sie war eigens für die massenhafte Ermordung sowjetischer Kriegsgefangener konzipiert worden, die von Gestapobeamten in Kriegsgefangenenlagern aus rassistischen und ideologischen Gründen ausgesondert worden waren. Unter Vortäuschung einer medizinischen Untersuchung wurden sie in Buchenwald unmittelbar nach der Ankunft ohne Registrierung per Genickschuss ermordet. Bis 1944 fielen in Buchenwald rund 8.000 sowjetische Kriegsgefangene dieser Mordaktion zum Opfer. Die am Morden beteiligten SS-Männer erhielten Auszeichnungen, manche wurden befördert.

Der Historiker Michael Löffelsender erarbeitete die Ausstellung gemeinsam mit Julia Landau und Harry Stein.

Der Überfall auf die Sowjetunion. Eine Outdoor-Ausstellung in der Gedenkstätte Buchenwald

 

Gedenkstätte Buchenwald (22. Juni bis 30. November 2021)

Gestaltung und Produktion: Schroeter und Berger, Berlin

Bau: Tischlerei Rietschel, Weimar

Übersetzung: EGLS Judith Rosenthal, Frankfurt am Main Kirill Levinson, Moskau


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