Buchenwald

Geschichte. Bewusst. Machen.

Ein Weg durch Buchenwald zum 78. Jahrestag der Befreiung

Menschen laufen über das Lagergelände am 78. Tag der Befreiung

©Peter Hansen

Die Erinnerung und die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald wird getragen von vielen unterschiedlichen Menschen und Initiativen. Gemeinsam mit diesem Netzwerk gestaltet die Gedenkstätte zu jedem Jahrestag der Befreiung den Stationenweg „Geschichte. Bewusst. Machen. Ein Weg durch Buchenwald“. Auf ihm werden verschiedene historische Stätten aufgesucht, die mit unseren Partnern durch Rezitationen und Statements in ihrer Bedeutung erläutert und durch eine Outdoor-Ausstellung begleitet werden. Unser Schwerpunkt zum 78. Jahrestag der Befreiung lag am 16. April 2023 – bei „Buchenwaldwetter“ – auf der Auseinandersetzung mit der Verfolgung der Sinti:zze und Rom:nja im Nationalsozialismus. Aber auch andere Themen und Perspektiven wurden präsentiert. Die nachfolgend wiedergegebenen Texte zur historischen Einordnung der jeweiligen Station stammen von Michael Löffelsender, Kustos der Gedenkstätte für die Geschichte des KZ Buchenwald, die zu den Partnern von diesen selbst.

Schwarz-Weiß-Foto: zwei amerikanische Sanitäter versorgen einen Überlebenden, der zugedeckt in einem Bett liegt
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Amerikanische Sanitäter versorgen in einer der Kasernen einen Überlebenden, 26. April 1945.
Zwei Frauen, Lena Carlebach und Agnes Triebel von der IKBD, die linke spricht in ein Mikro
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Lena Carlebach und Agnes Triebel (IKBD)

April 1945: Nach der Befreiung des Lagers richten Angehörige des 120. Evacuation Hospital der US-Armee in den Kasernen der SS-Wachmannschaft ein Nothospital ein. Sterbenskranke und völlig erschöpfte Überlebende werden hier untergebracht. Amerikanische Militärärzte und Sanitäter kämpfen wochenlang um ihr Leben. Was sie in Buchenwald sehen, schockiert sie zutiefst. Einer der Sanitäter, der damals 26-jährige Robert Roberts aus Arden in Delaware, erinnert sich:

„Buchenwald war fast unfassbar und ein Horror. Der Gedanke, dass der Mensch so unmenschlich sein konnte, war schwer zu ertragen. Es war erbärmlich, diese wandelnden, mit Haut überzogenen Skelette anzuschauen. Es war grauenhaft, die ausgemergelten Leichen der toten Menschen auf einem Haufen gestapelt zu sehen. Der Dreck und der Gestank waren überwältigend […]. Buchenwald war unser letzter Einsatzort und für mich mit Abstand die schrecklichste Erfahrung des Krieges. Sie hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen, der sich auch mit der Zeit nicht mehr aus meinem Gedächtnis löschen lässt. Ich war froh, dass ich diesen Menschen, die zu Unrecht auf unvorstellbare Weise gequält worden waren, auf meine Weise helfen konnte.“1

 

Eine in diesem Jahr neu angebrachte Erinnerungstafel ist der Ankunft der amerikanischen Soldaten am 11. April 1945 und ihrem Wirken in Buchenwald in den Tagen und Wochen nach der Befreiung gewidmet.

Die Station wurde vorgestellt von:

Internationales Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos (IKBD)

 

Das Internationale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos (IKBD) wurde 1952 gegründet und bewahrt die Erinnerung an das Internationale Lagerkomitee (ILK, 1943), aus dem es hervorgegangen ist. Zunächst unter der Leitung deutscher Kommunisten, dann unter Beteiligung von Widerstandskämpfern aus allen Nationen, machte es sich das ILK unter Lebensgefahr seiner Mitglieder zur Aufgabe, das grausame Los der KZ-Häftlinge zu verbessern. Das ILK organisierte den Widerstand gegen die SS und spielte durch Solidarität, Sabotage in den NS-Produktionsstätten sowie eine lange vorbereitete bewaffnete Aktion eine zentrale Rolle bei der Befreiung des KZ Buchenwald am 11. April 1945. Unter den Überlebenden befanden sich 904 Kinder und Jugendliche.

 

Das IKBD versteht sich seit seiner Gründung als Verteidiger der humanistischen Werte, die die Grundlage für den Kampf der Häftlinge bildeten, um sich der tödlichen und unmenschlichen Maschinerie der Nazis zu widersetzen. Es bleibt dem Schwur von Buchenwald, den 21.000 Überlebende am 19. April 1945 auf dem Appellplatz für den Aufbau einer Welt in Frieden und Freiheit leisteten, bis heute treu.

 

www.buchenwald-comite.org

Schwarz-Weiß-Foto: Häftlinge schauen über den Wagenrand eines Güterwaggons
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Befreite Häftlinge des KZ Buchenwald in einem offenen Güterwaggon nach einer vierwöchigen Bahnfahrt von Buchenwald nach Theresienstadt, 6. Mai 1945.
Jens-Uwe Fischer von der HFBK spricht in Mikrofon
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Jens-Uwe Fischer (HFBK)

Am 6. April 1945 befiehlt Lagerkommandant Hermann Pister, das Konzentrationslager Buchenwald zu räumen. Über 47.000 Häftlinge drängen sich an diesem Tag in den Baracken des Hauptlagers und den Pferdeställen des Kleinen Lagers. Täglich treibt die SS Tausende Häftlinge zusammen. Mit Blick zum Lagertor steht am 8. April auch der 37-jährige Franzose Joseph Onfray aus Alençon abmarschbereit auf dem Appellplatz. Er erinnert sich:

„Um 16 Uhr schauen wir zum letzten Mal zu der Uhr über dem Tor, die seit einem Jahr den Takt unseres Lebens vorgibt. Um 16 Uhr setzt sich der Block in Zweierreihen in Bewegung. Ein Lagerschutz notiert die Nummern der Abziehenden, und wir gehen durch das Tor ins Ungewisse: ‚Jedem das Seine...‘. Block für Block und flankiert von einer schwachen SS-Wache, ziehen wir den Berg hinunter nach Weimar. Ein letztes Mal laufen wir die Zufahrtsstraße zum Lager entlang. Wir sehen zerbombte Baracken, den Sockel des Reichsadlers, die Fabrik und die Garagen in Trümmern. Ihr Orte des Schreckens, wir verlassen euch mit Bedauern, denn unsere Zukunft ist noch ungewisser als unsere bittere Vergangenheit.“2

In den Tagen vor der Befreiung treibt die SS insgesamt 28.000 Männer und Jungen aus dem Lager. In endlosen Fußmärschen und in überfüllten Güterwaggons werden sie in Richtung Dachau, Flossenbürg und Theresienstadt gebracht. Tausende kommen unterwegs um. Die letzten Buchenwalder Häftlinge erleben erst kurz vor Kriegsende Anfang Mai ihre Befreiung.

Für diese Station übernahm die Patenschaft:

Jens-Uwe Fischer

 

Gemeinsam mit dem Designtheoretiker Friedrich von Borries forschte der Historiker Jens-Uwe Fischer an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg (HFBK) zu Biographie und Werk des Architekten und Designers Franz Ehrlich (1907–1984). Produkte des Forschungsprojektes sind u. a. der biographische Essay „Gefangen in der Titotalitätsmaschine“ (Suhrkamp Verlag 2022) und der Audiowalk „Der Bauhäusler Franz Ehrlich in Buchenwald“.

 

Ehrlich hatte am legendären Bauhaus studiert. Wegen seines antifaschistischen Engagements wurde er im KZ Buchenwald inhaftiert. Im Baubüro musste er als Gestalter arbeiten – und agierte in der Grauzone zwischen Widerstand und Kollaboration. Seine Tätigkeit erhöhte seine Überlebenschancen und die anderer Gefangener. Nach seiner Entlassung aus dem KZ wurde Ehrlich angestellter Architekt der SS.

 

Der Audiowalk führt zu verschiedenen Orten in der Gedenkstätte, nähert sich der sperrigen Geschichte Ehrlichs an, erzählt über den Zusammenhang von moderner Gestaltung und nationalsozialistischer Politik und stellt die ganz grundsätzliche Frage: „Was können wir aus Ehrlichs Lebensweg für uns, unsere Zeit und unsere Gesellschaft lernen?“

 

http://ehrlich.refrakt.org

 

„Der Bauhäusler Franz Ehrlich in Buchenwald“ ist ein Projekt von Jens-Uwe Fischer | mit Refrakt (Alexander Govoni, Carla Streckwall) | als Produktion der HFBK Hamburg, Designtheorie, Prof. Dr. Friedrich von Borries | in Kooperation mit Klassik Stiftung Weimar und Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora | gefördert die durch Deutsche Forschungsgemeinschaft und Kulturstiftung des Freistaats Thüringen.

8 Schwarz-Weiß-Porträts verschiedener Frauen, ehemalige Häftlinge
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Überlebende des Frauenaußenlagers in Penig, 17. April 1945.
Christoph Tümpßer spricht vor Menschenmenge auf dem Lagergelände Buchenwalds
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Christoph Trümper (RomnoKher Thüringen)

Im Herbst 1944 ist das Hauptlager Buchenwald auf dem Ettersberg das Zentrum eines weitverzweigten Lagerkomplexes. Außenlager reichen von Rhein und Ruhr im Westen bis zur Elbe im Osten. In Rüstungsfabriken und auf Baustellen müssen Häftlinge für die deutsche Rüstungsindustrie arbeiten. Seit September 1944 gehören offiziell auch einige Außenlager des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück zum Konzentrationslager Buchenwald. Im brandenburgischen Schlieben etwa müssen Frauen für den Leipziger Rüstungskonzern Hugo-Schneider AG Schwerstarbeit leisten. Die damals 23-jährige Sinteza Hildegard Reinhardt aus Ravensburg berichtet hierüber:

„Ich bin 1944 mit dem ersten Transport von Auschwitz weggekommen, als arbeitsfähig. Nach Schlieben sind wir gekommen, dort war eine Munitionsfabrik. Wir haben dort die Panzerfaust hergestellt, und dann mussten wir die fertigen Panzerfäuste in die Eisenbahnwagen laden. Es waren dreihundertfünfzig oder dreihundertsechzig Kisten, die in einen Waggon passten. Das war alles schwerste Arbeit, die wir machen mussten. Tagsüber gab es für uns kein Essen, erst abends bekam man etwas zu essen und zu trinken.“3

Hildegard Reinhardt überlebt die Zwangsarbeit in den Außenlagern Schlieben und Altenburg. Nach der Befreiung kehrt sie alleine in ihre Heimatstadt zurück – ihre drei kleinen Töchter Natalie, Irmela und Anita hat die SS in Auschwitz-Birkenau verhungern lassen. An Hildegard Reinhardt und die über 27.000 weiteren Frauen und Mädchen in den Außenlagern des Konzentrationslagers Buchenwald erinnert seit 2003 der Gedenkstein am ehemaligen Block 5, damals Sitz der Arbeitsstatistik.

Für diese Station übernahmen die Patenschaft:

Thüringer Verband der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten e.V. (TVVdN/BdA)

 

Der Thüringer Verband der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten e. V. ist Rechtsnachfolger der 1946 gegründeten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Thüringen. Es waren die Überlebenden der faschistischen Haftstätten und Konzentrationslager sowie die tapferen Frauen und Männer des antifaschistischen Widerstandes, welche diese Organisation begründeten.

 

Leitbild war dabei stets das Vermächtnis des Schwurs von Buchenwald: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel!“

 

Dieses Vermächtnis ist bis heute Richtschnur und Kompass der Arbeit des TVVdN / BdA.

 

www.thueringen.vvn-bda.de

 

Landesverband der Sinti und Roma RomnoKher Thüringen e.V.

 

Der Landesverband der Sinti und Roma RomnoKher Thüringen e. V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich im Juni 2017 durch den Zusammenschluss mehrerer Initiativen gegründet hat und der sich als Vertretung der Sinti:zze und Rom:nja in Thüringen versteht.

 

Aktuell arbeiten bei uns hauptamtlich zwölf Angestellte und knapp 20 Ehrenamtliche, mit Büros in Erfurt, Eisenberg und Gotha. Der Landesverband der Sinti und Roma RomnoKher Thüringen e. V. ist Preisträger des Thüringer Integrationspreises 2018 und des „Leuchtturmes 2022“.

 

www.romnokherthueringen.de

Gemälde von Auguste Favier: Leichen vor dem Kleinen Lager, die von anderen Häftlingen eingesammelt und auf einen Karren gestapelt werden
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Auguste Favier, « La Ramasse » des morts dans le petit camp: corvée de tous les jours („Das Einsammeln“ der Toten im Kleinen Lager: tagtägliche Plackerei), Januar 1945.
Wolfgang Rug sitzt vor einem Mikrofon und spricht zu der Menge auf dem Lagergelände Buchenwalds
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Wolfgang Rug (Arbeitskreis Sprechende Vergangenheit Jena)

Unterhalb der Baracken des Hauptlagers richtet die SS Ende 1942 eine abgeriegelte Quarantänezone ein, das Kleine Lager. Es ist Durchgangsstation für Zehntausende Häftlinge. Im Winter 1944/45 wird das Kleine Lager zur Todeszone von Buchenwald. Hier hinein pfercht die SS die Kranken und nicht mehr Arbeitsfähigen. Anfang 1945 treibt sie zudem Tausende überwiegend jüdische Männer und Jungen aus den aufgelösten Lagern Auschwitz und Groß-Rosen in die heillos überfüllte Sonderzone, viele von ihnen mehr tot als lebendig. Paul Steinberg, damals 18 Jahre alt, erreicht Buchenwald am 26. Januar 1945 aus Auschwitz. Jahrzehnte später berichtet er:

„Das Kleine Lager war eine Welt für sich, sorgfältig isoliert: man aß dort weniger, man starb dort mehr, und man war dort jüdisch. Dafür arbeitete man nicht. Die Kommandos, die jeden Tag aus dem großen Lager ausrückten, um sich in den Waffenfabriken […] abzurackern, bestanden aus mehr oder weniger vorzeigbaren Häftlingen, nicht aus dem vor sich hin sterbenden menschlichen Abfall, der sich im Kleinen Lager auftürmte. Morgens, noch vor der Brotverteilung, mussten wir die Opfer der Nacht auf die dafür vorgesehene bewegliche Plattform legen. Die fahle Gesichtsfarbe der Toten, ihr Totengrinsen, ihre unlösbar ineinander verflochtenen entkörperten Glieder […]. Was mir jetzt unerträglich erscheint, ist die Vorstellung, dass uns dies alles banal vorkam, eine Routine. Wir laden die Leiber auf, erkennen flüchtig manchen Nachbarn aus dem Waggon, manchen Gefährten aus dem Kommando, tags zuvor bekannt, tags darauf expediert, ohne mit der Wimper zu zucken.“4

Allein in den ersten hundert Tagen des Jahres 1945 sterben im Kleinen Lager von Buchenwald 6.000 Häftlinge. Gleichzeitig ist dieser Ort des Grauens aber auch Schauplatz einer Rettung. Im Kinderblock 66 erleben am 11. April 1945 Hunderte Kinder und Jugendliche ihre Befreiung – gerettet durch den Einsatz politischer und jüdischer Häftlinge.

Für diese Station übernahm die Patenschaft:

„Arbeitskreis Sprechende Vergangenheit“ e.V. Jena

 

Ende 2007 haben im Rahmen des Jenaer „Aktionsnetzwerks gegen Rechtsextremismus“ engagierte Menschen, historisch Interessierte, Berufstätige, Studierende und Ältere, den Arbeitskreis „Sprechende Vergangenheit“ gegründet (seit 2019 als e. V.). Er befasst sich vornehmlich mit dem Nationalsozialismus in seinen lokalen und regionalen Erscheinungsformen in Jena und Thüringen. Neben eigenen Recherchen liegt der Schwerpunkt der Arbeit in der Vermittlung von Wissen und Erfahrungen für die städtische Öffentlichkeit, für Schulen und gesellschaftliche Einrichtungen.

 

Über Themen wie NS-Zwangsarbeit, Jenas NS-Universität, Erinnerung an markante Ereignisse (Machtübernahme, Bücherverbrennung, Kriegsanfang u. a.) stehen drei Schwerpunkte im Fokus: Setzung und Pflege der über 60 Stolpersteine, die an Jenaer NS-Opfer erinnern; der letzte Buchenwald-Todesmarsch vom 11. April 1945, der quer durch Jena führte; die NS-Mordaktionen gegen Kranke, Behinderte und Kinder.

 

Arbeits- und Aktionsformen sind u. a.: Vorträge, thematische Stadtführungen, Exkursionen zu NS-Gedenkstätten der Region, Straßeninszenierungen, Schaffung neuer Gedenkorte in der Stadt, fachliche Unterstützung von Schüler:innen u. a.

 

Wir sehen unser Engagement als einen aktiven Beitrag im Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus, für die Erhaltung und Förderung einer demokratischen Stadtkultur und als wichtigen Beitrag zur Gestaltung eines verantwortlichen Erinnerungs- und Gedenkkonzepts in der Stadt Jena.

 

Adresse: Dr. Gisela Horn, Markt 26, 07774 Dornburg-Camburg; Mail: giselahorn50@gmail.com; Tel.: 036427-21814

Schwarz-Weiß-Foto von Häftlingen, die nebeneinander aufgereiht auf dem Appellplatz stehen
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Burgenländer Roma auf dem Appellplatz, Herbst 1939.
Melody Steinbach redet vor Menschenmenge auf Lagergelände in ein Mikrofon
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Melody Steinbach

Bereits unter den ersten Häftlingen des Konzentrationslagers Buchenwald befinden sich einzelne Sinti:zze. Im Zuge von Verhaftungswellen werden 1938 und nach Kriegsbeginn 1939 Hunderte Sinti:zze und Rom:nja auf den Ettersberg verschleppt. Aus Auschwitz-Birkenau bringt die SS 1944 etwa 1.800 Sinti:zze und Rom:nja nach Buchenwald. Das Hauptlager ist für die meisten von ihnen nur Durchgangsstation. Nach kurzer Zeit schickt die SS sie weiter auf die Baustellen von Dora, Ellrich oder Harzungen im Südharz. Hier herrschen die härtesten Bedingungen unter allen Buchenwalder Außenlagern. Der Sinto Ewald Hanstein aus Berlin, damals 19 Jahre alt, ist einer von ihnen:

„Unser Transport bestand aus ungefähr 1.400 Männern und Frauen, die meisten in meinem Alter, aber auch Zwölfjährige und Ältere – wer eben so noch als arbeitsfähig durchgegangen war. […] Wie alle anderen kam zunächst einmal in den Quarantäne-Block. Man wollte feststellen, wer von einer ansteckenden Krankheit befallen war. Ich wusste immer noch nicht, was sie mit mir planten, und so beruhigte mich die Untersuchung etwas. Wenn man uns gleich umbringen wollte, hätte man sich das sparen können. Für eine kurze Zeit jedenfalls schien das Überleben gesichert. Doch würde die Zeit ausreichen, um von den Alliierten befreit zu werden? […] Nach sechs Wochen hieß es wieder: ‚Antreten zum Transport!‘ […] Ich ahnte nicht, dass mir das schlimmste Lager noch bevorstehen sollte.“5

200 jugendliche Sinti:zze und Rom:nja schickt die Buchenwalder SS Ende September 1944 zur Ermordung zurück nach Auschwitz-Birkenau. Ihre Namen sind heute auf den Steinen am Gedenkweg Buchenwaldbahn entlang der früheren Bahnstrecke zu lesen. Am ehemaligen Block 14, im Winter 1939/40 Leidensort der Burgenländer Rom:nja, erinnert heute ein Denkmal an die in Buchenwald ermordeten Sinti:zze und Rom:nja.

Für diese Station übernahm die Patenschaft:

Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

 

Viele der Täter:innen, die für den Völkermord an den Sinti:zze und Rom:nja mitverantwortlich waren, konnten bei Behörden oder in der Privatwirtschaft ungehindert Karriere machen. Die Deportationen in die Vernichtungslager wurden als vorgeblich „kriminalpräventiv“ gerechtfertigt, dieses Denken fand sogar Eingang in die Urteile höchster deutscher Gerichte. Auch in der Wissenschaft und an den ehemaligen Orten der Verfolgung, den Mahn- und Gedenkstätten, blieb der Völkermord an den Sinti:zze und Rom:nja ein Randthema, das allenfalls eine Fußnote wert war.

 

Dies begann sich erst allmählich zu ändern mit der politischen Selbstorganisation der Betroffenen und der Gründung einer Bürgerrechtsbewegung, die seit Ende der 1970er-Jahre durch öffentliche Veranstaltungen auf ihr Anliegen aufmerksam machte. Die erste internationale Gedenkkundgebung fand am 27. Oktober 1979 im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen zur Erinnerung an den Völkermord an 500.000 Rom:nja und Sinti:zze in Europa statt.

 

Im Februar 1982 erfolgte die Gründung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma mit Sitz in Heidelberg. Der Zentralrat, dem 16 Mitgliedsvereine (Landesverbände und regionale Vereine) angehören, vertritt seither auf nationaler wie internationaler Ebene die Interessen der in Deutschland lebenden Sinti:zze und Rom:nja.

 

www.zentralrat.sintiundroma.de

Fußnote

1 Roberts, Robert (2002): A Medic’s story. An autobiography of experiences during World War II, Bloomington, S. 92 und 103. (Übersetzung Michael Löffelsender)

2 Onfray, Joseph (1948): L’ame résiste. Journal d’un déporté, Alençon, S. 264. (Übersetzung Michael Löffelsender)

3 Strauß, Daniel (Hrsg.) (2000): … weggekommen. Berichte und Zeugnisse von Sinti, die die NS-Verfolgung überlebt haben, Berlin, S. 60.

4 Steinberg, Paul (1998): Chronik aus einer dunklen Welt, München, S. 151 f.

5 Hanstein, Ewald (2005): Meine hundert Leben. Erinnerungen eines deutschen Sinto, Bremen, S. 62–64.


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