Buchenwald

Die Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Polen, Belarus und Deutschland

Ein trilateraler Jugenddialog

Das englischsprachige deutsch-polnisch-belarusische Seminar „Geschichte und Menschenrechte. Aufarbeitung der NS-Verbrechen in der Sowjetischen Besatzungszone“ fand vom 25. bis 30. November 2024 in Weimar statt.

Diese außergewöhnliche Veranstaltung wurde Studierenden aus drei Ländern von einem Team der Gedenkstätte Buchenwald, der Europäischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Weimar (EJBW), der Europäischen Geisteswissenschaftlichen Universität in Vilnius, der Universität Warschau und der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęncim angeboten; sie setzte eine Seminarreihe zur Geschichte des Nationalsozialismus und der Menschenrechte fort. Das vorherige Seminar dieser Art wurde im Oktober 2023 in Oświęncim abgehalten.

Welche Spuren hinterließen die nationalsozialistischen Verbrechen in Weimar und in Osteuropa? Wie verlief die Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone? Was hat die Internierung von Tausenden von Menschen damit zu tun? Wie geht man mit der Geschichte der Massenverbrechen um? Wie gedenkt man an die Opfer an Orten mit zweifacher Geschichte?

Zweiundzwanzig Studierende aus Deutschland, Polen und Belarus diskutierten diese Fragen während einer Woche im November. In Weimar hatten sie die Möglichkeit, sich an drei zentralen Orten auszutauschen – in der EJBW, im Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus und in der Gedenkstätte Buchenwald.

Mit Hilfe von Expert:innen setzten die Studierenden nacheinander ein Mosaik aus thematischen Zusammenhängen zusammen. Dies begann mit einer Vertiefung des Themas Zwangsarbeit im Nationalsozialismus im entsprechenden Museum in Weimar, gefolgt von einer Einführung in die Topographie der Stadt im Zusammenhang mit den Verbrechen der NS-Zeit durch den Mitarbeiter der Bildungsabteilung Jan Malecha. Ein Beitrag von Dr. Annette Weinke (Friedrich-Schiller-Universität Jena) zur juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Nachkriegsdeutschland vertiefte die Diskussion der Teilnehmenden über die Einordnung der NS-Verbrechen in ihren Ländern, deren Aufarbeitung und Prozesse in der Nachkriegszeit sowie die Erinnerungskultur. Anschließend präsentierten die drei Ländergruppen die Prozesse der gerichtlichen und außergerichtlichen Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen in ihren Ländern.

Nachdem sich die Studierenden mit dem allgemeinen Kontext vertraut gemacht hatten, ergänzten sie diesen mit der lokalen Geschichte, indem sie die Gedenkstätte Buchenwald und zwei ihrer Ausstellungen besuchten, um sich mit der historischen Landschaft vertraut zu machen. Besondere Aufmerksamkeit galt der Geschichte des sowjetischen Speziallagers Nr. 2, das für die Nachkriegsgeschichte Thüringens steht. Zwischen 1945 und 1950 waren hier Tausende Deutsche interniert, von denen viele an den nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt waren. Ein Viertel von ihnen überlebte diese Zeit nicht, sie starben an Hunger und Krankheiten. Einige wurden von der sowjetischen und ostdeutschen Justiz und in nichtrechtsstaatlichen Verfahren zu langjährigen Strafen oder Tod verurteilt. Die meisten wurden einfach entlassen. Bis zum Fall der Mauer war diese „zweite Geschichte“ Buchenwalds in der DDR tabuisiert. Erst nach der Wende begann die Aufarbeitung dieses schwierigen Themas. 1997 wurde die erste Dauerausstellung zur Geschichte des Speziallagers Nr. 2 auf dem Ettersberg eröffnet. Sie wurde in der ostdeutschen Gesellschaft sehr emotional und kontrovers aufgenommen.

Derzeit wird eine neue Dauerausstellung vorbereitet, in die viele neue Forschungsergebnisse einfließen werden. Die Eröffnung der neuen Ausstellung ist für den Herbst 2026 geplant. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars hatten die Gelegenheit, sich von der Leiterin der Kustodie II, Dr. Julia Landau, und dem Ausstellungsteam aus erster Hand über diesen Prozess informieren zu lassen und sowohl zu den neuen Materialien als auch zur aktuellen Ausstellung Feedback zu geben.

Die zentrale Frage lautete: Wie kann eine Ausstellung für alle geschaffen werden? Die Studierenden machten eine Reihe von Vorschlägen, wie das Thema in den sozialen Medien vermittelt, pädagogisches und digitales Material entwickelt und die Interessen verschiedener Besucher:innen, einschließlich Menschen mit Einschränkungen, berücksichtigt werden können. Unter anderem wurde betont, dass die Ausstellung nicht von der übrigen Infrastruktur der Gedenkstätte getrennt werden dürfe und die Renovierung daher in Verbindung mit der gesamten Umgebung erfolgen sollte. Es zeigte sich, dass es sich lohnt, über eine rein deutsche Perspektive hinauszugehen und auch neue Biografien mit Bezug zur Geschichte anderer Länder zu berücksichtigen. Als eine der größten Herausforderungen wurde die Politisierung des Themas und die Bildung falscher Analogien genannt. Dabei ist es notwendig, auf gesicherte Informationen und eine präzise Terminologie zu achten, verschiedene Perspektiven und Möglichkeiten der Vertiefung des Themas aufzuzeigen und gleichzeitig einen breiten historischen Kontext darzustellen. In einer zukünftigen Ausstellung wäre es sinnvoll, einen Ort zu haben, an dem regelmäßig reflektiert wird, wie das Thema von den Besucher:innen wahrgenommen wird.

Das Seminar endete mit einer Besichtigung der Mahnmalsanlage sowie des Glockenturms in Begleitung des Programmkoordinators der EJBW, Dr. Boris Stamenić aus Zagreb, Kroatien. Es folgte eine Diskussion über aktuelle Fragen der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in Deutschland, Polen und Belarus. Wie verändern sich die Schwerpunkte der gesamtgesellschaftlichen Erinnerung? Welche historischen Ereignisse, wie und von welchen gesellschaftlichen Akteur:innen werden politisch instrumentalisiert? Welche Themen werden aus dem öffentlichen Raum verdrängt? Die jungen Menschen waren bereit, auch über die Themen zu diskutieren, die in ihren Ländern als „unbequem“ gelten, was eine Perspektive für eine allgemeine kritische Reflexion und Bewegung in der Bewahrung der Erinnerungskultur in positiver Weise eröffnet. Dieser Trend soll u. a. beim nächsten Seminar in Litauen im Jahr 2025 fortgesetzt werden.

Iryna Kashtalian und Vladislav Drilenko arbeiten an der Kustodie 2 – Geschichte des sowjetischen Speziallagers Nr. 2 – der Gedenkstätte Buchenwald.

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