Buchenwald

Genius Loci Weimar 2024

Zur Landtagswahl erstrahlte das Buchenwalder Mahnmal in einem neuen Licht, illuminiert von drei internationalen Künstler:innengruppen. Sie ermöglichten völlig neue Sichtweisen und zeigten eindrucksvoll, welche Relevanz das über 65 Jahre alte Denkmal heute entfalten kann.

Nachtaufnahme des Glockenturms der Gedenkstätte Buchenwald mit einer rot-orangenen Lichtprojektion einer erhobenen Hand auf der Turmfassade, unter einem klaren Sternenhimmel.
Foto: Tristan Vostry
©Genius Loci Weimar 2024

Die ersten Überlegungen, das seit 2012 alljährlich in Weimar stattfindende Licht- und Fassadenprojektionsfestival Genius Loci auch in der Gedenkstätte Buchenwald stattfinden zu lassen, reichen bereits einige Jahre zurück. Doch zu komplex schien der technische Aufwand, zu heikel die konzeptionellen Aufgaben, die dabei zu lösen sind. Im Frühjahr 2024 kam die Festivalleitung erneut auf die Gedenkstätte zu. Von Beginn an war klar, dass die monumentale Architektur des 1958 als Nationaldenkmal der DDR eingeweihten Mahnmals, und nicht das ehemalige Lager selbst, als Veranstaltungsort dienen sollte. Entscheidend war zudem, dass die drei Ringgräber des Mahnmals und der Friedhof am Glockenturm sowie die von Fritz Cremer entworfene Figurengruppe ausgespart blieben.

Schwarz-Weiß-Fotografie einer großen Menschenmenge bei einer Gedenkveranstaltung. Im Vordergrund steigen Menschen eine breite Treppe hinauf. Im Hintergrund sind viele Personen auf einem Feld vor monumentalen Steinsäulen mit brennenden Feuerschalen zu sehen.
Einweihung des Mahnmals, Straße der Nationen mit brennenden Feuerschalen, 14. September 1958.
©Gedenkstätte Buchenwald

Die drei Architekturen des Mahnmals, die neu interpretiert werden sollten, waren der Stelenweg, die Straße der Nationen und der Glockenturm. Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt wurden zu einem Wettbewerb eingeladen. Zur ihrer Aufgabe gehörte es, in den Projektionen auch gezielt jene Schicksale und Ereignisse aufscheinen zu lassen, die das Mahnmal nicht thematisiert.

Farbfotografie von Gedenksäulen aus Stein mit brennenden Feuerschalen auf dem Gelände der Gedenkstätte Buchenwald. Die Säulen tragen Länderschriftzüge wie „DEUTSCHLAND“, „DANMARK“ und weitere. Schwarzer Rauch steigt in den blauen Himmel, im Vordergrund sind silhouettenhafte Besucher zu erkennen.
Einweihung des Mahnmals, Straße der Nationen mit brennenden Feuerschalen, 14. September 1958.
©Gedenkstätte Buchenwald

Mehr als 100 Konzepte aus 22 Nationen wurden zu dem Wettbewerb eingereicht. Eine internationale Jury, der neben Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner Künstler:innen und Kurator:innen angehörten, wählte aus diesen Einreichungen für jeden der drei räumlichen Schwerpunkte einen Gewinner aus. Vom 30. August bis zum 1. September 2024 zog das Genius Loci Weimar Festival Tausende Besuchende zum Mahnmal von Buchenwald - so viel wie seit Jahrzehnten nicht mehr in so kurzer Zeit.

Eine Gruppe von Menschen sitzt in einem hellen Seminarraum und hört einem Vortrag zu. Vorne stehen zwei Personen vor einem Bildschirm, auf dem das Logo von "DenkOrt Buchenwald" zu sehen ist. Durch große Fenster fällt Tageslicht, draußen sind Bäume sichtbar.
Präsentation der Gewinner bei der Pressekonferenz, 29. August 2024. Foto: Tristan Vostry, Genius Loci Weimar 2024
©Genius Loci Weimar 2024

Auf dem Stelenweg, der zu den Massengräbern führt, stehen sieben Reliefs, jeweils eines für ein Jahr des Lagers. Die Stelen stellen als zentrale Aspekte seiner Geschichte vorrangig den gnadenlosen Terror der SS gegen die Häftlinge und vor allem deren erfolgreichen Widerstands- und Befreiungskampf unter der Führung der Kommunisten dar.

Aufbau des Lagers
Ankunft der Häftlinge
Fronarbeit im Steinbruch
Leiden und Vernichtung der Häftlinge
Solidarität trotz Leid und Vernichtung
Thälmann-Feier und Vorbereitung zum Widerstand
Die Befreiung

Die italienische Gruppe mammasONica aus Catania (Sizilien) wollte mit ihrem Werk Ghostpoets nicht nur das verstärken, was die Stelen darstellen, sondern auch aufdecken, was von ihnen nicht gezeigt oder gar verdeckt wird. Sie sahen die Reliefs als symbolische Portale, mit denen die Zuschauer:innen Zugänge zu verschiedenen Formen von Schmerz und Hoffnung erhalten können. Präzise Lichtführung hob kleinste Details der Stelen hervor und entwickelte aus ihnen ein jeweils eigenes filmisches Storytelling. Gemeinsam mit einem intensiven Soundtrack, der Fragmente aus Zeitzeugeninterviews enthielt, erschufen sie eine immersive Erfahrung für die Besuchenden.

Porträts der drei Teammitglieder des künstlerischen Projekts: links Giancarlo Trimarchi mit Kapuze und Zigarette (Soundtrack), in der Mitte Luca Pulvirenti hinter einer Glasstruktur mit Mikrofon (Art Director, Assistant), rechts Cristina Santangelo mit gesenktem Blick (Producer), jeweils in Schwarz-Weiß gehalten.
mammasONica: Giancarlo Trimarchi (Sounddesign), Luca Pulvirenti (Art Director), Cristina Santangelo (Producer) Fotos: mammasONica
©mammasONica

Im November 2024 wurde mammasONica für Ghostpoets mit dem LIT Lighting Design Award in der Kategorie Light Art Project ausgezeichnet.

Die Straße der Nationen verbindet die drei Massengräber mit 18 Pylonen im ägyptischen Stil, die jeweils für eine Nation von Gefangenen des KZ Buchenwald stehen. Schon kurz nach der Einweihung des Mahnmals wurde nicht nur die getroffene Auswahl der Nationen kritisiert, sondern auch bezweifelt, ob der Nationenbegriff und die monumentale Architektur geeignet seien, das Schicksal des Einzelnen, der sozial- und rassistisch Verfolgten zu repräsentieren.

Die Künstlergruppe Area Composer aus Düsseldorf transformierten mit ihrer Installation Empathy die Straße der Nationen zu einem menschlichen Schicksalsweg.

Porträt der Mitglieder des Künstlerkollektivs Area Composer: Peter Hölscher (Bildkomposition), Dorothee Pilavas (Projektmanagement) und Ronald Gaube (Tonkomposition) in schwarz-weißer Darstellung vor schwarzem Hintergrund.
Area Composer: Peter Hölscher (Composition Image), Dorothee Pilavas (Projectmanagement), Ronald Gaube (Composition). Fotos: Area Composer
©Genius Loci Weimar 2024

Die dreiteilige Installation (Die Opfer von Buchenwald, Buchenwald war überall, Buchenwald ist überall) aus sogenannten Liquid Images, langsam ineinanderfließenden Bildern, begleitet die Gefangenen des KZ von der Ankunft in Weimar über das Hauptlager Buchenwald mit seinen zahllosen Außenlagern bis ins Heute. Am Ende stand eine interaktive Installation, die mit den Schattenwürfen der Besuchenden eine Selbstreflexion anregen sollte.

Der mächtige, 50 Meter hohe Glockenturm aus hellem Sandstein ist weit im Thüringer Land, von Erfurt ebenso wie von Weimar aus, sichtbar. Er bildet den Abschluss des Mahnmals, das insgesamt als säkulare „Via Dolorosa“ angelegt ist, auf die sich die Besuchenden gleichsam bis zur Wiederauferstehung begeben sollten. Er verkörpert den Anspruch der DDR, das bessere Deutschland zu sein.

Die französische Künstlerin Marina Konther aus Montauban und der Sounddesigner Martin Etienne setzten dem monumentalen Turm mit einer Adaption des Gedichts „Die Stille“ von Rainer Maria Rilke eine sanfte, poetische Interpretation entgegen. Mit ihr erzählten sie von der Sehnsucht des Menschen nach Liebe – in einer Welt, die deren Erfüllung durch Ausgrenzung und Krieg unmöglich macht. Marina Konther verwendete dabei gezielt traditionelle, „weiche“ Techniken aus Sand und Papier.

Porträt einer lächelnden jungen Frau mit langen Haaren, aufgenommen vor einem Palmenstamm im Freien; sie trägt ein gemustertes Oberteil, runde Ohrringe und eine feine Kette.
Foto: Tristan Vostry
©Genius Loci Weimar 2024

Rikola-Gunnar Lüttgenau konzipierte gemeinsam mit Hendrik Wendler, Leiter des Genius Loci Festivals, den Rahmen und die Durchführung des Wettbewerbes 2024.

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