Geschichtskultur

Antifaschistische Kultur. Nico Rost und der lange Kampf gegen den Nationalsozialismus, 1919–1965

Antifaschismus als Lebensentwurf und politische Position

Der Nationalsozialismus in Deutschland und Österreich, Mussolinis Regime in Italien und andere faschistische Bewegungen haben die Welt des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt. Ihre politische Organisation, ideologische Fundierung, ihre Verbrechen und Folgen sollten Europa für immer verändert zurücklassen. Um die Dimensionen der historischen Faschismen zu verstehen, muss auch die Geschichte der politischen Gegenwehr in den Blick genommen werden: Die Geschichte des Antifaschismus ist mittlerweile mehr als 100 Jahre alt und kennt zahlreiche Brüche, Erweiterungen und Verflechtungen mit anderen emanzipatorischen Bewegungen. Einen wichtigen Teil dieser Geschichte zeichne ich in meiner Dissertation „Antifaschistische Kultur. Nico Rost und der lange Kampf gegen den Nationalsozialismus“ nach, die 2023 erschienen ist.

Buchcover "Antifaschistische Kultur"

Ich stelle in meinem Buch die Frage, wie der kommunistisch geprägte Antifaschismus als Lebensentwurf und politische Position in der Geschichte des 20. Jahrhunderts verstanden werden kann. Im Zeitraum zwischen ihrer Entstehung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bis in die globalen 1960er-Jahre zeichne ich Ideen, Organisationsformen, geschichtspolitische Impulse und die politische Kultur dieser wichtigen Spielart des Antifaschismus nach. Dafür nutze ich einen erfahrungsgeschichtlichen Zugang, der die Perspektive eines historischen Akteurs kontextualisiert.

Protagonist meiner Studie ist der niederländische Journalist und Überlebende der Konzentrationslager Oranienburg, Vught und Dachau Nicolaas Rost (1896–1967). Als Reporter, Mitglied der Kommunistischen Partei der Niederlande und Übersetzer warb Rost für die Anschlussfähigkeit des Antifaschismus über sprachliche, kulturelle und nationale Grenzen hinweg. An seinem Beispiel analysiere ich in den Kapiteln der Arbeit verschiedene Themen: Das erste Kapitel beschreibt die Politisierungsprozesse in der Weimarer Republik sowie die Arbeit transnationaler linker Netzwerke und Massenorganisationen vor 1933. Im zweiten Kapitel werden das Entstehen und Scheitern der antifaschistischen Koalition und Volksfront-Politik in den Jahren vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beleuchtet. Schwerpunkt des dritten Kapitels ist die Transformation der antifaschistischen Erfahrungswelt durch Widerstand, nationalsozialistische Verfolgung und Gefangenschaft in den Konzentrationslagern. Das vierte Kapitel behandelt die antifaschistische Kulturpolitik in der Sowjetischen Besatzungszone und in den ersten Jahren der Deutschen Demokratischen Republik sowie die Entfremdung der Überlebenden vom Parteikommunismus in der Nachkriegszeit. Im fünften Kapitel gehe ich auf die Organisationen der Überlebenden des Konzentrationslagers Dachau und die Errichtung der dortigen Gedenkstätte ein, die aus ihrer Initiative hervorging. Das sechste Kapitel untersucht schließlich die Verbreitung des Wissens über die nationalsozialistische Vernichtungspolitik seit den 1950er-Jahren, in der die Shoah und der Genozid an den Roma schon früh thematisiert wurden.

Wesentliche Faktoren für die Entwicklung des Antifaschismus waren die Strukturierung durch linke und kommunistische Parteien und eine oft prekäre, lagerübergreifende Bündnispolitik, die mit der Chiffre der Volksfront alle Gegner:innen (und später auch Opfer und Überlebende) von Faschismus und Nationalsozialismus zusammenfassen wollte. Die von mir untersuchte Spielart des Antifaschismus suchte diesen Zusammenhalt auch in der Politisierung des Kulturlebens und insbesondere der deutschsprachigen Schriftkultur, die in einem antifaschistischen Humanismus aufging. Trotz seiner politischen Niederlage gegen den Nationalsozialismus blieb Antifaschismus so eine erfahrungsgeschichtliche Konstante, die das Engagement vor 1945 mit dem politischen und moralischen Wiederaufbau in vielen europäischen Staaten verbindet. Ich plädiere mit meiner Studie dafür, Antifaschismus als pluralen Begriff zu fassen, in dem unterschiedliche humanistische, sozialistische und kommunistische Utopien anklingen. In seine Ideenwelt eingeschrieben sind ebenso Demokratiekonzeptionen und Maßstäbe der historischen Gerechtigkeit. Für Engagierte wie Rost war Antifaschismus eine zentrale biografische Ressource und wirkmächtige Imagination im Umgang mit einer verbrecherischen Vergangenheit, die in seinem Werk bis heute aufscheint.

Markus Wegewitz ist Historiker und Koordinator des Digitalisierungsprojekts der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.

Antifaschistische Kultur Nico Rost und der lange Kampf gegen den Nationalsozialismus Gebundene Ausgabe, 471 Seiten ISBN/EAN: 9783835353664

 

Die Publikation kann im Online-Shop der Gedenkstatte sowie überall, wo es Bücher gibt, erworben werden.


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