Stiftung

Rosa Winkel.

Eine studentische Ausstellung über als homosexuell verfolgte KZ-Häftlinge in Buchenwald und Mittelbau-Dora

Etwa 700 Männer wurden im Nationalsozialismus als Homosexuelle in die Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora verschleppt. Dort mussten sie auf ihrer Häftlingskleidung zur Kennzeichnung einen rosa Winkel tragen. Im Unterschied zu anderen Verfolgtengruppen wurde ihnen nach 1945 jahrzehntelang die Anerkennung als NS-Opfer verweigert. Ursache dafür waren Kontinuitäten der Verfolgung, die lange vor 1933 begann und nach 1945 andauerte. Unter welchen Bedingungen queere Menschen im KZ litten und welche Erfahrungen der Diskriminierung und Kriminalisierung sie auch nach der Befreiung machten, erzählt die von Studierenden der Friedrich-Schiller-Universität in Zusammenarbeit mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erarbeitete Ausstellung „Rosa Winkel“.

Ausstellungsansicht (Aufsteller) in der Bibliothek der Bauhaus-Universität Weimar
Präsentation der Ausstellung in der Bibliothek der Bauhaus-Universität Weimar, April 2023.
©fotokraftwerk

Wie lässt sich die Geschichte von Homosexuellenverfolgung und Emanzipationsbestrebungen von Schwulen, Lesben, bi- und transsexuellen Personen vom 19. bis ins 21. Jahrhundert ausstellen? Wie lassen sich die Grundlagen gesellschaftlicher Diskriminierungen von sexuellen Minderheiten vom Deutschen Kaiserreich bis in die Gegenwart repräsentieren? Und welche konkreten Auswirkungen hatte die Einweisung von strafrechtlich verfolgten homosexuellen1 Männern in die Konzentrationslager? Mit welchen Lebens- und Arbeitsbedingungen war die Gruppe der Rosa-Winkel-Häftlinge in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora konfrontiert?

In geschichtswissenschaftlichen Seminaren an der Universität sind Studierende nur selten mit den inhaltlichen, formalen und logistischen Herausforderungen von historischen Ausstellungen konfrontiert. Am Lehrstuhl für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der Universität Jena erprobten wir bereits mehrfach einen ganz praktischen Bezug von historischer Grundlagenforschung und einer Vermittlung in die Öffentlichkeit.2 Der historische Kontext der Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus wie auch der Kontinuitäten nach 1945 bildete den Rahmen für die Lehrveranstaltung an der Uni Jena. Exemplarische Biographien von als homosexuell verfolgten Häftlingen sollten im Mittelpunkt der Ausstellung stehen. Schnell zeigte sich allerdings, dass es erhebliche Quellenprobleme gibt: Selbstzeugnisse in Form von Interviews, Tagebucheinträgen oder Autobiographien waren kaum zu finden.3 Dies liegt insbesondere an der fortgesetzten Verfolgung nach 1945; viele Betroffene konnten und wollten sich auch nach dem Ende der Naziherrschaft nicht als homosexuell outen. Wir begaben uns also auf gemeinsame und akribische Spurensuche.4

Im Seminar standen zunächst die Grundzüge der staatlichen Verfolgungspolitik gegenüber Homosexuellen und deren Kontinuitäten und Brüche im Fokus. Die Einführung des § 175 Strafgesetzbuch (StGB) im Deutschen Kaiserreich 1871/72 entsprach bereits bestehenden Regelungen in Preußen. Im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Liberalisierung wäre dieser gegen die männliche Homosexualität gerichtete Paragraf gegen Ende der Weimarer Republik fast abgeschafft worden. Der Aufstieg der NSDAP verhinderte das. Die Verfolgung von queeren Menschen ab 1933 sowie die Einweisung von homosexuellen Männern in die Konzentrationslager aufgrund des 1935 verschärften § 175 wurde auf Grundlage von Sekundärliteratur und Sichtung von Quellenmaterial in den Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie weiteren Institutionen wie dem Schwulen Museum* in Berlin oder den Arolsen Archives erschlossen. Auch Forschungen über die fortdauernde Verfolgung nach 1945 in der alten Bundesrepublik und in der DDR sowie die Entwicklungen seit 1989/90 wurden in die Ausstellungskonzeption einbezogen.

Der gemeinsamen Erarbeitung einer Ausstellungskonzeption, inklusive eines Wettbewerbs zur Auswahl eines Gestaltungsbüros, folgte die Arbeit an den Ausstellungskapiteln, die unter den Studierenden thematisch aufgeteilt wurden. Eine der zentralen Herausforderung war das Verfassen der Drehbücher mit aussagekräftigen Exponaten und prägnanten Ausstellungstexten.5 Der thematische Aufbau der Ausstellung besteht aus drei Teilen: Im ersten Teil werden schlaglichtartig die Lebenswelten von queeren Menschen in der Zeit vom Kaiserreich bis in den Nationalsozialismus sowie die staatliche Repression gegen Homosexuelle vorgestellt. Der Hauptteil der Ausstellung setzt sich mit als homosexuell verfolgten Häftlingen in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora auseinander. Dargestellt werden in einzelnen Unterkapiteln Themen wie die Hierarchisierung der Häftlingsgesellschaft je nach Verfolgungsgrund samt Kennzeichnung der Gefangenen mit stigmatisierenden farbigen Winkeln auf der Kleidung, das System der Funktionshäftlinge sowie Lebens- und Arbeitsbedingungen der Rosa-Winkel-Häftlinge, die in Buchenwald fast ausnahmslos der Strafkompanie zugewiesen wurden und im Steinbruch arbeiten mussten. Auch lange marginalisierte Themen wie Sexualität im Konzentrationslager werden vorgestellt. Im dritten Teil der Ausstellung werden der gesellschaftliche und rechtliche Umgang mit queeren Menschen in der Bundesrepublik und in der DDR sowie der Kampf um Emanzipation thematisiert. Die verspätete Entschädigung und Rehabilitierung von homosexuellen NS-Opfern und das umkämpfte Gedenken bilden den Abschluss. Einige Schlaglichter aus den Ausstellungskapiteln sollen im Folgenden erste Einblicke ermöglichen.

Gedenkstein für homosexuelle NS-Opfer
„Im Gedenken an die homosexuellen Männer, die hier gelitten haben.“ Gedenkstein aus dem Jahr 2006 für homosexuelle NS-Opfer in der Gedenkstätte Buchenwald.
©Katharina Brand, 2008

Wie viele homosexuelle Häftlinge es in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora wirklich gab, ist schwer zu erfassen. Der 2006 auf Initiative der Aidshilfe Weimar & Ostthüringen in der Gedenkstätte Buchenwald aufgestellte Gedenkstein benannte 650 Männer für das KZ Buchenwald. Zusätzlich gab es mehrere Häftlinge, die trotz Verurteilung nach § 175 als „Berufsverbrecher“ (BV) oder „Sicherungsverwahrte“ (SV) erfasst wurden. Auch die Kategorisierung als „asozial“ war möglich. Zudem gab es auch Häftlinge, die aus rassistischen oder politischen Gründen ins KZ eingewiesen worden waren und deren Homosexualität der SS nicht bekannt war. Letzteres betraf auch Frauen in den Außenlagern. Der rosa Winkel repräsentiert somit keineswegs alle als homosexuell verfolgten Häftlinge.

Viele schwule Männer waren ausschließlich aus dem Grund im Konzentrationslager, dass sie Männer liebten. Es befanden sich unter den als homosexuell geltenden Häftlingen aber auch Personen, die sexuelle Gewalt gegenüber Minderjährigen ausgeübt hatten und auch nach heutiger Rechtslage mit einer Verurteilung rechnen müssten. Auch in ihrem Fall war die KZ-Einweisung aber ein Verbrechen. Im Unterschied zu fast allen anderen Häftlingsgruppen (ausgenommen die Zeugen Jehovas) waren Rosa-Winkel-Häftlinge fast ausschließlich Deutsche. Nur in sehr wenigen Einzelfällen wurden Ausländer wegen ihrer Homosexualität ins Konzentrationslager eingewiesen – eine Folge der NS-Ideologie, wonach männliche Homosexualität unter Deutschen den „Volkskörper“ schädige und die „Wehrhaftigkeit“ untergrabe.6 Bei Ausländern, etwa Polen oder Franzosen, wurde das nicht als Gefahr gesehen, im Gegenteil: Deren „Wehrhaftigkeit“ wollten die Nationalsozialist:innen ja gerade nicht stärken.7

Scan des Aufnahmebogens des Zuchthauses Celle für Artur Bielemann, "Straftat: Homosex."
Aus dem befreiten KZ Bergen-Belsen ins Zuchthaus: Aufnahmebogen des Zuchthauses Celle für Artur Bielemann, 30. April 1945.
©NLA Hannover

Eine Besonderheit der Homosexuellenverfolgung in Buchenwald waren die Medizinverbrechen an Rosa-Winkel-Häftlingen. SS-Ärzte führten pseudomedizinische Experimente an Häftlingen durch. Dabei kooperierten sie unter anderem mit der Wehrmacht, der IG-Farben AG oder dem Robert-Koch-Institut. In Block 46 richtete die SS eine ständige Versuchsstation ein. Im Herbst und Winter 1944 nahm der dänische Arzt Dr. Carl Værnet, der in Prag in einem SS-Labor arbeitete, Experimente an homosexuellen Häftlingen in Buchenwald vor. Sein menschenverachtendes Ziel: homosexuelle Männer durch eine Hormondrüse von der Homosexualität zu „heilen“. Etwa 12 Häftlinge missbrauchte er für seine Versuche. Unterstützung erhielt Værnet von den SS-Standortärzten Dr. Gerhard Schiedlausky und Dr. Erwin Ding-Schuler. Trotz anderslautender Behauptungen Værnets zeigten seine Hormondrüsen keinerlei „therapeutische“ Wirkung. Sie schadeten aber seinen Probanden. Mindestens ein Häftling überlebte die Menschenversuche nicht. 1945 kehrte Værnet nach Dänemark zurück und flüchtete 1946 nach Argentinien, wo er bis zu seinem Tod 1965 lebte. Für die Experimente und Medizinverbrechen wurde er nie verurteilt.

Rosa-Winkel-Häftlinge standen in Buchenwald am unteren Ende der von der SS nach sozialrassistischen Kriterien hierarchisierten Häftlingsgesellschaft. Die SS wies sie der Strafkompanie zu, die schwerste Zwangsarbeit im Steinbruch verrichten musste. Viele homosexuelle Häftlinge überlebten das nicht. Im Winter 1943/44 überstellte die SS mindestens 150 Rosa-Winkel-Häftlinge in das neu eingerichtete Außenlager Dora, wo sie unter Tage beim Stollenvortrieb für die geplante unterirdische Raketenfabrik eingesetzt wurden. Mehr als die Hälfte von ihnen starb an den Folgen von Hunger, Zwangsarbeit und katastrophalen hygienischen Bedingungen in dem Untertage-KZ. Zusätzlich erschwert wurden die Lebensbedingungen der als homosexuell verfolgten Häftlinge durch die verbreitete Homophobie unter ihren Mithäftlingen. Viele begegneten ihnen mit Misstrauen und Ablehnung. Nur selten gelang es als homosexuell kategorisierten Häftlingen, in rettende Netzwerke aufgenommen zu werden. Bisweilen konnten sie sich, wie etwa der Rosa-Winkel-Häftling Rudolf Brazda, durch sexuelle Dienstleistungen Schutz durch Kapos oder andere Funktionshäftlinge erkaufen. In Mittelbau-Dora gelang es einigen Rosa-Winkel-Häftlingen, selbst Funktionsposten zu bekommen. Diese waren an deutsche Sprachkenntnisse gebunden, und da es im KZ Mittelbau-Dora deutlich weniger deutsche Häftlinge gab als in Buchenwald, wich die SS hier von ihrer Haltung ab, Rosa-Winkel-Häftlinge nicht in der Lagerhierarchie aufrücken zu lassen. Dies betraf aber nur Einzelfälle. Vorgestellt wird in der Ausstellung etwa die Biographie von Wilhelm Güte. Er war trotz seines rosa Winkels Blockältester im Lager Dora und später Mitglied des Lagerschutzes im Außenlager Ellrich-Juliushütte. Er überlebte und kehrte nach der Befreiung in seine Heimatstadt Bochum zurück.

Die strafrechtliche Verfolgung und gesellschaftliche Ausgrenzung Homosexueller endete nicht mit der Befreiung vom Nationalsozialismus im Frühjahr 1945. Manche überlebende homosexuelle KZ-Häftlinge blieben sogar in Haft. Ein Beispiel ist das in der Ausstellung präsentierte Schicksal von Artur Bielemann. Der Eigentümer des bekannten Berliner Tanzlokals „Quartier Latin“ war 1943 nach der Verbüßung von zwei Haftstrafen wegen § 175 als Rosa-Winkel-Häftling in das KZ Dachau eingewiesen und 1944 in das KZ Mittelbau-Dora überstellt worden. Von dort kam er im April 1945 mit einem Räumungstransport in das KZ Bergen-Belsen. Nach dessen Befreiung durch britische Soldaten kam er jedoch nicht frei, sondern wurde in das Zuchthaus Celle überstellt und kam erst Ende Januar 1946 auf freien Fuß. Homosexuelle Kontakte blieben auch nach 1945 strafbar, mehr noch: In der Bundesrepublik galt die von den Nationalsozialist:innen 1935 verschärfte Fassung von § 175 bis Ende der 1960er-Jahre. Erst 1994 wurde § 175 endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. In der DDR galt ab 1950 die weniger repressive Fassung des Paragrafen aus der Weimarer Republik; 1968 wurde er komplett gestrichen. Allerdings sah der neu eingeführte § 151 für homosexuelle Kontakte ein höheres Schutzalter als für heterosexuelle Kontakte vor.

Kranz zum Gedenken der homosexuellen Opfer in Buchenwald
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„Wir gedenken Tausender ermordeter homosexueller KZ-Häftlinge“. Kranz zum Gedenken an homosexuelle Opfer des KZ Buchenwald in der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald, 1987.
Kränze und beschriftete Kugel zum Gedenken an lesbische KZ-Häftlinge in Ravensbrück
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„Wir haben euch nicht vergessen“. Erkämpftes Gedenken an lesbische KZ-Häftlinge in der Gedenkstätte Ravensbrück, 29. April 2017.
Plakat mit rosafarbener Aufschrift und Rosa-Winkel zu einer Demonstration in der KZ-Gedenkstätte Dachau
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Plakat zur Demonstration in der KZ-Gedenkstätte Dachau, 10. Mai 1987.

Jahrzehntelang wurden die Opfer der nationalsozialistischen Homosexuellen-Verfolgung im offiziellen Gedenken in Deutschland und weltweit verschwiegen. Erst in den 1970er-Jahren begann sich das zu ändern. Schwulen- und Lesbeninitiativen erinnerten in der Bundesrepublik mit Flugblättern und auf Demonstrationen an die Verfolgung von Homosexuellen durch die Nationalsozialist:innen. Ab den 1980er-Jahren nahmen erste Ausstellungen in der Bundesrepublik und in der DDR das Thema auf. In den KZ-Gedenkstätten entstanden in dieser Zeit erste Denkmäler für homosexuelle NS-Opfer. Fast alle verdanken ihre Existenz dem hartnäckigen Engagement von Aktivist:innen, die den Staat und die Kommunen drängten, endlich auch der Rosa-Winkel-Häftlinge zu gedenken. Solche Initiativen gab es nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in der DDR. Dort fürchtete die Staatsmacht jedoch oppositionelle Bewegungen und behinderte Initiativen, die der offiziellen Geschichtsdoktrin widersprachen. Das Ministerium für Staatssicherheit betrachtete die Aktivitäten der Schwuleninitiativen deshalb mit Argwohn und versuchte, öffentliche Kranzniederlegungen für Rosa-Winkel-Häftlinge in den Nationalen Mahn- und Gedenkstätten Buchenwald und Sachsenhausen zu verhindern.

In Westdeutschland erinnerte Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner weithin beachteten Rede zum 40. Jahrestag der Beendigung des 2. Weltkrieges (mit der Deutung als „Tag der Befreiung“) 1985 erstmals auch an die homosexuellen NS-Opfer. Auf Anregung des Bundespräsidenten Roman Herzog wurde 1995 in Anlehnung an den Wortlaut der Weizsäcker-Rede eine Inschrift im neu gestalteten offiziellen Gedenkort der Bundesregierung in Berlin, der Neuen Wache, auch die Erinnerung an homosexuelle NS-Opfer miteinbezogen. Nach zahlreichen gesellschaftlichen Debatten und Forderungen eines offiziellen Gedenkens beschloss der Deutsche Bundestag am 12. Dezember 2003 die Errichtung eines Denkmals für homosexuelle NS-Opfer. Die verschiedenen Entwürfe führten zu lebhaften Kontroversen insbesondere über die Frage, ob mit dem Denkmal nicht nur, wie zunächst geplant, der im Nationalsozialismus verfolgten Schwulen, sondern auch verfolgter Lesben zu gedenken sei.8 Schließlich einigte man sich darauf, das Denkmal beiden Verfolgtengruppen zu widmen. Am 27. Mai 2008 wurde das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeweiht. Im zweijährigen Wechsel zeigt es, eingefangen in einem Betonquader, den Kuss eines schwulen bzw. eines lesbischen Paares als Videoclip.

Die Debatte um ein angemessenes Gedenken an im Nationalsozialismus verfolgte lesbische Frauen und Mädchen war damit jedoch nicht beendet. Mit Verweis auf den ausschließlich gegen Männer gerichteten § 175 argumentieren einige Schwulen-Aktivisten und Historiker:innen, dass die Verfolgung Homosexueller sich im Nationalsozialismus nur gegen Männer gerichtet habe. Andere Aktivist:innen verweisen auf die Vielzahl verfolgter lesbischer Frauen, auch wenn diese primär als Jüdinnen, sogenannte „Asoziale“ oder auch als politische Gegnerinnen inhaftiert worden waren. In der Gedenkstätte Ravensbrück setzen sich Frauen- und Lesbengruppen seit 2014 für die Erinnerung an verfolgte und ermordete Lesben ein, mehrere Gedenkzeichen wurden in Eigeninitiative gesetzt. Im Rahmen des 77. Jahrestages der Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers wurde 2022 in Ravensbrück zum ersten Mal offiziell der lesbischen Opfer gedacht.

Videostill: Björn Höcke mit Mikrofon auf Kundgebung in Erfurt
„Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken. Denn nur, wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft. Und wir müssen wehrhaft werden!“ Björn Höcke (AfD) auf einer Kundgebung in Erfurt, 18. November 2015.
©https://www.youtube.com/watch?v=dvFJiPv93gc, abgerufen am 29.11.2022

Am 27. Januar 2023 erinnerten der Deutsche Bundestag sowie der Thüringer Landtag erstmals explizit an die als homosexuell verfolgten NS-Opfer. Im Rahmen der Veranstaltung im Thüringer Landtag wurde die Ausstellung „Rosa Winkel“ erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Ganz bewusst schließt sie mit der Frage „Und heute?“ Zwar lässt sich die Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus nicht mit heutigen Formen der Homophobie und Queer-Feindlichkeit gleichsetzen. Hass und Gewalt gegen Lesben, Schwule und Trans-Personen sind jedoch weltweit nach wie vor Alltag, auch in Deutschland. In etlichen Ländern werden queere Menschen brutal verfolgt. In Staaten wie Ungarn, Polen und Russland wurden in den letzten Jahren homophobe und LGBTQ*-feindliche Gesetze verabschiedet. Die Islamische Republik Iran vollstreckt immer wieder Todesurteile gegen Homosexuelle. Gleichheit vor dem Gesetz und Schutz vor Hass und Gewalt bleiben für queere Menschen fast überall auf der Welt ein bislang nicht erreichtes Ziel. Die Ausstellung soll ein Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig es ist, daran etwas zu ändern.

Ausstellungsansicht Detail.
Präsentation der Ausstellung in der Bibliothek der Bauhaus-Universität Weimar, April 2023.
©fotokraftwerk

Der Historiker Jens-Christian Wagner ist Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und und Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der FSU Jena.

Daniel Schuch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er forscht zur (Nach-)Geschichte der NS-Verbrechen und Überlebendenorganisationen.

Die Wanderausstellung „Rosa Winkel“ kann bei der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora ausgeliehen werden: hkirsten@buchenwald.de

 

Den Begleitband zur Ausstellung kann man im Online-Shop der Gedenkstätte sowie überall, wo es Bücher gibt, erwerben: Rosa Winkel. Als homosexuell verfolgte Häftlinge in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora. Begleitband zur Wanderausstellung, hrsg. von Daniel Schuch u. Jens-Christian Wagner, Weimar 2023, ISBN 978-3-935598-31-6.

Fußnote

1 Diese Identitätszuschreibung war in etlichen Fällen keine Selbstbezeichnung der betreffenden Personen. Aus diesem Grund verwenden wir die Formulierung „als homosexuell Verfolgte“.

2 So entwickelten wir während des Corona-Lockdowns im Jahr 2021 in Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora eine studentische Online-Ausstellung über die besonderen Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen in den KZs Buchenwald und Mittelbau-Dora, vgl. https://www.jugend-im-kz.de/

3 Vgl. Klaus Müller: Totgeschlagen, totgeschwiegen? Das autobiographische Zeugnis homosexueller Überlebender, in: Burkhard Jellonnek, Rüdiger Lautmann (Hg.): Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle. Verdrängt und ungesühnt, Paderborn 2002, S. 397–418.

4 Vgl. Anna Hájková: Menschen ohne Geschichte sind Staub. Homophobie und Holocaust, Göttingen 2021.

5 Sehr hilfreich waren dabei folgende Lektüren: Evelyn Dawid, Robert Schlesinger (Hg.): Texte in Museen und Ausstellungen. Ein Praxisleitfaden, 2. Auflage, Bielefeld 2012 sowie die „Handreichung zur Planung und Durchführung von Ausstellungen im Rahmen von Lehrprojekten“, die 2013 an der Ruhr-Universität Bochum von Isabel Atzl and Stefan Schulz erarbeitet wurde, URL: https://wissenschaftliche[1]sammlungen.de/files/3814/0023/0529/Handreichung_ Ausstellungen_in_der_Lehre.pdf

6 Vgl. Alexander Zinn: »Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle Männer im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main/New York 2018.

7 Zu den Ausnahmen siehe die neueren Forschungen von Joanna Ostrowska: „Unzuchtshandlungen in schamloser Weise in der Öffentlichkeit verübt“. Roman Igler (1913-1965) als Pole verurteilt nach §175, in: Dies., Joanna Talewicz-Kwiatkowska, Lutz van Dijk (Hg.), Erinnern in Auschwitz: auch an sexuelle Minderheiten, Berlin 2020, S. 186–190.

8 Vgl. Corinna Tomberger: Wessen Gedenken? Geschlechterkritische Fragen an das geplante Homosexuellen-Mahnmal, Berlin 2007, URL: https://www.lesbengeschichte.org/ns_ mahnmal_berlin_d.html

Eschebach, Insa (Hg.) (2012): Homophobie und Devianz. Weibliche und männliche Homosexualität im Nationalsozialismus, Berlin.

 

Grau, Günter (Hg.) (2004): Homosexualität in der NS-Zeit. Dokumente einer Diskriminierung und Verfolgung, Überarbeitete Neuausgabe, Frankfurt am Main.

 

KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora (Hg.) (2000): Homosexuelle in Konzentrationslagern, Bad Münstereifel.

 

KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hg.) (1999): Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus. (= Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland. Heft 5), Bremen.

 

Lücke, Martin (2022): Die Verfolgung lesbischer Frauen im Nationalsozialismus. Forschungsdebatten zu Gedenkinitiativen am Beispiel des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 70:5, S. 422–440.

 

Müller, Joachim/Sternweiler, Andreas (Hg.) (2015): Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen, Hamburg.

 

Rahe, Thomas/Hoffschildt Rainer (2019): Homosexuelle im KZ Bergen-Belsen, herausgegeben von der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Celle.

 

Schwartz, Michael (Hg.) (2014): Homosexuelle im Nationalsozialismus. Neue Forschungsperspektiven zu Lebenssituationen von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen 1933 bis 1945, München.

 

Zinn, Alexander (2011): »Das Glück kam immer zu mir«. Rudolf Brazda – das Überleben eines Homosexuellen im Dritten Reich, Frankfurt am Main/New York.


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