Der Ost-Berliner Lyriker und Autor ist 37 Jahre alt, jüdisch und wütend - schafft es aber diesen Impuls in klug reflektierte Streitschriften umzusetzen. So erschien 2017 bei Hanser sein Essay „Desintegriert euch", den der Spiegel als «unsachliches Sachbuch, böse und wütend und oft ungerecht, eine Polemik, die viel Widerspruch erregen wird» bezeichnete. Darin thematisiert er "das bundesdeutsche Integrationsparadigma, in dem Migranten eine „Bringschuld" wie einen Bauchladen vor sich herschleppen, in den die guten Deutschen greifen, wann immer es passt", so die Wochenzeitschrift "Der Freitag". In seinem Band "Gegenwartsbewältigung" entwirft der Autor das Modell für eine veränderte Gegenwart: Wie muss sich die Gesellschaft wandeln, damit Menschen gleichermaßen Solidarität erfahren? Wie kann in einer fragmentierten Welt die gemeinsame Verteidigung der pluralen Demokratie gelingen? Mit diesen Themen trifft Czollek ins Herz der Diskurse des Kunstfest Weimar. Deshalb nimmt es nicht Wunder, dass er nicht nur das Libretto zur Musiktheater-Uraufführung „Ein Ermordeter aus Warschau" geschrieben hat, die Musik stammt vom großartigen Schweizer Komponisten-Enfant terrible Michael Werthmüller. Doch welche Wichtigkeit das Projekt der Berliner Operncompany Novoflot für Czollek entfaltet, bezeugt der Umstand, dass er persönlich auf der Bühne steht und inmitten des rasanten Jazzklänge seine neuen Texte liest, rezitiert oder „spielt":
EIN ERMORDETER AUS WARSCHAU
1947 schrieb Arnold Schönberg das Melodram »A Survivor from Warsaw« (»Ein Überleben- der aus Warschau«) für Sprecher, Männerchor und Orchester und thematisierte mit seinem Werk die Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Ghetto. Die Komposition ist ein erschütterndes Zeugnis brutalster Entmenschlichung und eines der wenigen Musikwerke, das den Holocaust konkret thematisiert.
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Lassen Sie sich das nicht entgehen! Samstag 31.08. und Sonntag 01.09. jeweils um 17 h in der Redoute, Ettersburgerstrasse 61, Dauer etwa 75 Minuten, genug Zeit danach die Sonne zu genießen.
Eine weitere Produktion, die einen Beitrag zur lebendigen Gedenkkultur sogar im engeren Buchenwald-Kontext leistet läuft am 08.9 um 18 Uhr ebenfalls in der Redoute, Ettersburgerstrasse 61:
LURIE'S LYRICS
Boris Lurie, 1924-2008, Bildkünstler, KZ-Über- lebender, NO!art-Gründer, New Yorker aus Riga. Und Autor: In seinem Buch »Geschriebigtes – Gedichtigtes« verschmelzen ungeschönte Erzählung, Poesie und böse Leichtigkeit wie in kaum einem anderen Werk, das vom Überleben im und nach dem Holocaust handelt. „Die Grundlagen meiner künstlerischen Erziehung erwarb ich in KZs wie Buchenwald", schrieb Lurie. Er collagiert Bilder von Leichenbergen mit Pin-ups, attackiert Faschismus, Rassismus und den Sexismus der Konsumgesellschaft. Seine Gedichte vereinen rohen Ausdruck, unbändige Sprachgewandtheit und spielerische, von Musik durchdrungene Poesie.
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