Agnes Holzmann, im Alter von 79 Jahren am 19. September 1942 von Jena nach Theresienstadt deportiert, starb dort nach wenigen Tagen den Hungertod; Erna und Leon Heilbrun flohen aus Nordhausen nach Frankreich, gerieten dort erneut in die nationalsozialistische Verfolgung und nahmen sich 1942 im Internierungslager das Leben, um der Deportation nach Auschwitz zu entgehen; infolge der Denunziation durch Erfurter Nachbar:innen wurde Rosemarie Cohn nach Auschwitz und von dort nach Bergen-Belsen deportiert, wo sie mit 17 Jahren an Typhus starb. Diese Beispiele geben einen ersten Eindruck der Verfolgung von Jüdinnen und Juden in Thüringen während des Nationalsozialsozialismus. Hatten hier vor 1933 noch über 6.000 Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Herkunft gelebt, verlor bis 1945 mehr als ein Drittel von ihnen ihr Leben – mindestens 2.261 Menschen.
Das zeigen jüngste Forschungen in Vorbereitung des Digitalen Gedenkbuchs auf www.juedisches-leben-thueringen.de, das seit dem 1. September 2022 online einsehbar ist. Es enthält die Namen, die Lebensdaten, den Wohnort sowie den Deportations- und Sterbeort jedes einzelnen Opfers. Das neue Angebot zur Erinnerung an die Ermordeten stellt eine wichtige Basis für die weitere Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte vor Ort sowie für Thüringen insgesamt dar und kann fortlaufend aktualisiert werden.
Auf Grundlage des Gedenkbuchs erinnerte am 19. September 2022 eine besondere partizipative Aktion in Weimar an alle Menschen in Thüringen, die Opfer der antisemitischen Verfolgung und Vernichtung wurden: Auf dem Stéphane-Hessel-Platz beim ehemaligen NS-Gauforum wurden ihre Namen mit weißer Schulkreide auf den Boden geschrieben. Zuvor wurden bereits am Hauptbahnhof in Erfurt, auf dem Marktplatz in Meiningen und auf dem Johannisplatz in Gera die Namen der von dort Deportierten und Ermordeten geschrieben.
In Weimar wurden von allen Namen mit einer analogen 16-mm-Kamera Einzelaufnahmen gemacht; es entsteht ein Film, der alle 2.261 Namen dokumentiert. Die gesamte Schreibaktion wurde online live gestreamt. Begleitend boten verschiedene Initiativen und Institutionen zusätzliche Angebote und Informationen, darunter die ACHAVA Festspiele Thüringen, das Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus Weimar, die Initiative Gedenkweg Buchenwaldbahn und die Klassik Stiftung Weimar.
Online-Gedenkbuch und „Schreiben gegen das Vergessen“ wurden realisiert im Rahmen eines Kooperationsprojekts des Erinnerungsortes Topf & Söhne, der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, der Landeszentrale für politische Bildung und der Künstlerin Margarete Rabow. Es wurde gefördert vom Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport im Rahmen des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „Denk Bunt“.