Gedenkstätte Buchenwald KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora Museum Zwangsarbeit im NS

Nach 1945: Zwischen anhaltender Verfolgung und Anerkennung

Die Befreiung vom Nationalsozialismus im Mai 1945 bedeutete nicht das Ende der Ausgrenzung und Verfolgung von Homosexuellen. Die Alliierten strichen etliche NS-Gesetze, nicht aber die verschärfte Fassung von § 175. Auch die 1949 gegründete Bundesrepublik beließ es bei der nationalsozialistischen Fassung des Paragrafen. Erst 1969 wurde er abgemildert und 1994 endgültig gestrichen. In der DDR galt von Beginn an eine weniger repressive Fassung von § 175.

Jahrzehntelang bemühten sich die Überlebenden der nationalsozialistischen Schwulenverfolgung vergeblich um Anerkennung als NS-Verfolgte. Die meisten wurden nie rehabilitiert und erhielten nie Entschädigungszahlungen.

Mit Lockerungen im Strafrecht erkämpften sich selbstorganisierte Homosexuelle ab den 1970er Jahren mehr Sichtbarkeit in der Gesellschaft und stritten für ihre Rechte. Im wiedervereinigten Deutschland traten nach der Streichung von § 175 neue Ziele in den Vordergrund, z.B. die Ehe für alle.

BUNDESREPUBLIK: FORTGESETZTE KRIMINALISIERUNG UND DER KAMPF UM RECHTLICHE GLEICHSTELLUNG

Da die NS-Fassung von § 175 in der Bundesrepublik unverändert in Kraft blieb, galten während des Nationalsozialismus verurteilte Homosexuelle weiterhin als Straftäter. Zudem setzten Polizei und Justiz die strafrechtliche Verfolgung fort. Wer seine Homosexualität offen auslebte, riskierte neben gesellschaftlicher Ausgrenzung auch eine Haftstrafe. Bis 1969 ermittelten die Behörden aufgrund von § 175 gegen circa 100.000 Personen. Etwa 50.000 wurden verurteilt.

Homosexualität entsprach nicht den von den Kirchen geprägten Sexualvorstellungen. Im Laufe der 1960er Jahre gewannen liberalere Kräfte in Politik und Gesellschaft an Einfluss. 1969 wurde § 175 reformiert. Homosexualität bei über 21-Jährigen wurde straffrei. Vier Jahre später senkte der Gesetzgeber das Schutzalter auf 18 Jahre. Durch die Liberalisierung konnten sich homosexuelle Gruppen nun besser organisieren. Sie erkämpften sich selbstbewusst ihren Platz in der Öffentlichkeit und traten für ihre Rechte ein.

„Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das Sittengesetz. Auch auf dem Gebiet des geschlechtlichen Lebens fordert die Gesellschaft von ihren Mitgliedern die Einhaltung bestimmter Regeln; Verstöße hiergegen werden als unsittlich empfunden und mißbilligt.“

Begründung in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, 10. Mai 1957. (BVerfG, 1 BvR 550/52)
Zwei Männer hatten wegen ihrer Verurteilung nach § 175 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Beschwerde ab und bezeichnete § 175 in seiner von den Nationalsozialisten verschärften Fassung als rechtmäßig und verfassungskonform.

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Die ‚Aktion‘ gegen die Frankfurter Homosexuellen.“ Bericht der SPD-nahen Frankfurter Rundschau, 23. Januar 1951.
Ein früher Höhepunkt der Verfolgung Homosexueller in der Bundesrepublik waren die Frankfurter Homosexuellenprozesse 1950/51. Die Polizei nahm in einer gezielten Verfolgungswelle insgesamt 150 Männer fest. Euphemistisch als „Aktionen“ bezeichnet, waren solche Massenverhaftungen auch in der NS-Zeit
üblich. Der Autor des Artikels, Rudolf Eims, hatte selbst als politischer Häftling die KZ-Haft überlebt.
(Frankfurter Rundschau)
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Cover der „Homophilen“-Zeitschrift „Die Freunde“, Dezember 1951.
Um 1950 gründeten sich einige Zeitschriften, die sich der Homophilenbewegung zuordneten. Diese war vor allem bis Ende der 1950er Jahre aktiv und trat öffentlich eher gemäßigt auf. Ihr Hauptanliegen war neben der Reform von § 175, die öffentliche Meinung über Homosexualität zu verbessern. Bei der Wahl der Inhalte mussten die Redaktionen drohende Verbote bedenken.
(Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg)
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„Kommt in Massen!“ Anzeige in der Münster Presse, 28. Mai 1972.
Die Homosexuelle Studentengruppe Münster (HSM) organisierte die erste Schwulendemonstration in der Bundesrepublik. Im Aufruf nimmt die Gruppe spöttisch Bezug auf den sogenannten Radikalenerlass von 1972. Dieser schloss Kommunisten aus dem öffentlichen Dienst aus.
(queer.de)
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Schwuler Karneval in Bremen, 30. Juni 1979.
Unter dem Motto „Schwuler Karneval“ fand im Juni 1979 der erste Bremer Christopher Street Day statt. Zeitgleich kam es auch in Stuttgart, Köln und West-Berlin zu Demonstrationen. Als Symbol der Selbstermächtigung eigneten sich Teile der Bewegung den rosa Winkel an.
(Privatarchiv: Jörg Hutter)
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Neo-nazistische Drohschreiben an das Zentrum für Homosexuelle „Rat+Tat“ in Bremen, September 1984.
Homosexuelle Gruppen wurden weiterhin angefeindet. Im Jahr 1984 erhielt das Bremer Schwulenzentrum „Rat+Tat“ zwei Bombendrohungen mit homophoben Todesdrohungen. Die Täter konnten nicht ermittelt werden.
(Privatarchiv: Jörg Hutter)
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Spendenaufruf der Deutschen AIDS-Hilfe e. V., 1984.
In den 1980er Jahren brach in Deutschland AIDS aus. Viele Schwule erkrankten und erfuhren erneut gesellschaftliche Ausgrenzung. Medien bezeichneten die Krankheit als „Lust-Seuche“, rechtsgerichtete Christen als „Strafe Gottes.“ Da die AIDS-Hilfen zunächst nicht auf staatliche Unterstützung zurückgreifen konnten, sammelten sie Spenden für ihre Arbeit.
(AIDS-Hilfe e. V.)

GRENZEN DER GLEICHBERECHTIGUNG IM SOZIALISMUS: HOMOSEXUALITÄT IN DER DDR

Die 1949 gegründete Deutsche Demokratische Republik sah den Nationalsozialismus in ihrem Staat als überwunden an und ehrte fast ausschließlich ehemalige politische KZ-Häftlinge als antifaschistische Widerstandskämpfer. Ehemaligen Rosa-Winkel-Häftlingen hingegen wurde der Status „Opfer des Faschismus“ nicht zuerkannt; sie erhielten keine Opferrenten.

Gesellschaftlich waren Homosexuelle als vom traditionellen Geschlechterbild abweichende Personen zudem diskriminierte Außenseiter. Rechtlich bestand für sie jedoch eine andere Situation: 1950 kehrte die DDR, im Gegensatz zur Bundesrepublik, zur liberaleren Gesetzgebung der Weimarer Republik zurück. Sie urteilte, dass die Verschärfung von § 175 nationalsozialistisches Unrecht gewesen ist. 1968 strich das Justizministerium den Paragrafen gänzlich aus dem Strafgesetzbuch. Erst mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik erhielt § 175 von 1990 bis 1994 wieder Gültigkeit in den neuen Bundesländern.

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Kein § 175 mehr in der DDR, 9. April 1968.
Die DDR erhielt 1968 eine neue Verfassung sowie eine neue Strafgesetzgebung. § 175 war als Tatbestand gestrichen und durch den neu eingeführten § 151 ersetzt. Er stellte für Männer und Frauen gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen mit Jugendlichen unter Strafe. Auch dieser Paragraf wurde schließlich 1988 aus dem Gesetzbuch gestrichen. Aus rechtlicher Perspektive hatten Homosexuelle in der DDR damit eine deutlich vorteilhaftere Situation als in der Bundesrepublik.
(Stiftung Haus der Geschichte)
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Ausweis „Opfer des Faschismus“, ausgestellt für Karl Kampfert, 15. September 1945.
Karl Kampfert hatte als politischer Häftling das KZ Neuengamme überlebt. In der
sowjetischen Besatzungszone und in der DDR sicherte der Status „Opfer des Faschismus“ (OdF) zusätzliche Sozialleistungen und Opferrenten. Überwiegend wurde er überlebenden politischen und jüdischen Häftlingen zuerkannt. Als homosexuell Verfolgten wurde der Status meist verweigert.
(Landesarchiv Berlin)
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(Seite 1) „…feindlich-negative Personen dieser Homosexuellen-Gruppen…“. Bericht des Ministeriums für Staatssicherheit über eine geplante Kranzniederlegung anlässlich des Christopher-Street-Days, 21. Juni 1984.
Verschiedene zivilgesellschaftliche „Arbeitskreise Homosexualität“ aus mehreren Orten in der DDR planten, anlässlich des Christopher-Street-Days Kranzniederlegungen in den Gedenkstätten Buchenwald und Sachsenhausen vorzunehmen. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beobachtete die Aktivitäten der Arbeitskreise und behinderte sie. Das MfS argumentierte, die Kranzniederlegungen seien „Kraftproben“ mit dem Staat.
(Bundesarchiv)
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(Seite 2) „…feindlich-negative Personen dieser Homosexuellen-Gruppen…“. Bericht des Ministeriums für Staatssicherheit über eine geplante Kranzniederlegung anlässlich des Christopher-Street-Days, 21. Juni 1984.
Verschiedene zivilgesellschaftliche „Arbeitskreise Homosexualität“ aus mehreren Orten in der DDR planten, anlässlich des Christopher-Street-Days Kranzniederlegungen in den Gedenkstätten Buchenwald und Sachsenhausen vorzunehmen. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beobachtete die Aktivitäten der Arbeitskreise und behinderte sie. Das MfS argumentierte, die Kranzniederlegungen seien „Kraftproben“ mit dem Staat.
(Bundesarchiv)
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„Ja, auch rosa Winkel die kamen hier vor“. Liedtext für die geplante Kranzniederlegung in Buchenwald am 30. Juni 1984.
Die Kranzniederlegung am 30. Juni 1984 konnte nicht wie geplant stattfinden, der eigens verfasste Liedtext wurde nicht gesungen, da das MfS im Vorfeld „öffentlichkeitswirksame“ Aktivitäten untersagt hatte. Die Teilnehmer:innen durften nicht geschlossen als „Arbeitskreis Homosexualität“ auftreten, sondern nur als Einzelbesucher:innen. Die Kranzschleifen mussten entfernt werden; Einträge ins Gästebuch der Gedenkstätte waren untersagt.
(Bundesarchiv)
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„Wir gedenken Tausender ermordeter homosexueller KZ-Häftlinge“.
Kranz zum Gedenken an homosexuelle Opfer im KZ Buchenwald, 1987.
Mitglieder des Arbeitskreis Homosexualität der ESG Leipzig legten in Eigeninitiative diesen Gedenkkranz in der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald ab.
(Foto: Matthias Kittlitz, Robert-Havemann-Gesellschaft-Berlin)
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„Den Rosa Winkel Häftlingen“: Gedenkkranz Berliner Schwulengruppen, 27. Juni 1985.
1985 legten Aktivist:innen in der Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg einen Kranz zum Gedenken an die Rosa-Winkel-Häftlinge nieder. Das MfS ließ die Kranzschleife mit der Widmung entfernen.
(Gedenkstätte Sachsenhausen)
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Info-Stand des Arbeitskreis Homosexuelle Liebe (AKHL) der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) Jena zu einem Fest auf dem Johannisfriedhof in Jena, 1985.
1984 bildete sich unter dem Dach der Evangelischen Studiengemeinde (ESG) Jena der Arbeitskreis „Homosexuelle Liebe“. Er publizierte die erste DDR-weite Lesbenzeitschrift „frau anders“ und organisierte ein DDR-weites Schwulen- und Lesbentreffen, das der Vernetzung lokaler Initiativen diente.
(Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“)

ZU SPÄT: DIE ENTSCHÄDIGUNG UND REHABILITIERUNG VON HOMOSEXUELLEN NS-OPFERN

Weder in der alten Bundesrepublik noch in der DDR wurden Opfer der Homosexuellen-Verfolgung im Nationalsozialismus rehabilitiert oder entschädigt. Auch beim öffentlichen Gedenken an die NS-Opfer wurden sie in beiden deutschen Staaten weitgehend ausgeklammert.

Heute erinnern in Gedenkstätten und auf öffentlichen Plätzen einige Denkmale und Gedenktafeln an die Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus. Ihre Existenz verdanken sie meist dem langjährigen Engagement von Schwulen- und Lesbeninitiativen.

Erst 2002, ergänzt 2004, beschloss der Deutsche Bundestag die Rehabilitierung der nach § 175 im Nationalsozialismus Verurteilten. Die Urteile wurden pauschal aufgehoben. Entschädigungsleistungen kamen für die meisten der mittlerweile verstorbenen NS-Verfolgten aber zu spät. 2017 trat das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem Krieg wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen in Kraft.

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Protestschreiben von Ernst Papies gegen seinen Ausschluss aus dem Bund ehemaliger politischer KZ-Häftlinge in Münster, 5. Dezember 1945.
Ernst Papies hatte als Rosa-Winkel-Häftling die Konzentrationslager Buchenwald, Mauthausen und Auschwitz überlebt. Nach seiner Befreiung trat er dem Bund ehemaliger politischer Häftlinge in Münster bei. Dieser schloss ihn als ehemaligen homosexuellen Häftling jedoch aus.
(Staats Landesarchiv Nordrhein-Westfalen)
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„Ihre Inhaftierung erfolgte nicht auf Grund Ihrer Gegnerschaft zum NS-System, sondern auf Grund Ihrer kriminellen Vortrafen.“ Schreiben der Wiedergutmachungsbehörde Münster, 23. Juli 1954.
In dem Schreiben wird die Ablehnung des Entschädigungsantrages von Ernst Papies angekündigt. Papies kämpfte jahrelang erfolglos um Entschädigung und Rehabilitierung. Auch den Bundespräsidenten bat er erfolglos um Hilfe. Ernst Papies starb 1998, ohne jemals rehabilitiert oder entschädigt worden zu sein.
(Landesarchiv Nordrhein-Westfalen)
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„Parks und Grünanlagen sind beliebte Orte zur Anbahnung gleichgeschlechtlicher Unzuchthandlungen“. Schautafel der Hamburger Polizei auf der Internationalen Polizeiausstellung in Hannover, 1966.
Die Schautafel ist mit polizeilichen Observationsfotos dekoriert. Sie verdeutlicht die kriminalisierende Perspektive der Polizei auf schwule Liebesbeziehungen.
(Staatsarchiv Hamburg)
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Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile,
26. Juli 2002.
Mit dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz wurde die 1998 beschlossene Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile auf Urteile ausgedehnt, die nach den 1935 verschärften bzw. neu eingeführten Paragrafen 175 und 175a gesprochen worden waren.
(Bundesgesetzblatt 2002, Teil I)
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Demonstration der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren in Köln, Sommer 2016.
Die Demonstration sollte der Forderung nach Rehabilitierung von Männern Nachdruck verleihen, die nach 1945 aufgrund von § 175 verurteilt worden waren.
(Norbert Blech)
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„Beantragen Sie Entschädigung.“ Informationsbroschüren des Bundesamtes für Justiz, 2022.
Mit der Rehabilitierung für in der Bundesrepublik nach § 175 oder in der DDR nach § 151 Verurteilte ging das Recht auf Entschädigung einher. Bis heute haben jedoch nur wenige Betroffene einen Antrag gestellt. Gründe hierfür können u.a. fortgeschrittenes Alter, Scham und Angst vor einem komplizierten Verfahren sein. Die Antragsfrist für Entschädigungszahlungen wurde 2022 bis zum Jahr 2027 verlängert.
(Bundesamt für Justiz)

UMKÄMPFTES GEDENKEN

Jahrzehntelang wurden die Opfer der nationalsozialistischen Homosexuellen-Verfolgung im offiziellen Gedenken in Deutschland und weltweit verschwiegen. Erst in den 1970er Jahren begann sich das zu ändern. Schwulen- und Lesbeninitiativen erinnerten in der Bundesrepublik mit Flugblättern und auf Demonstrationen an die Verfolgung von Homosexuellen durch die Nationalsozialisten. Ab den 1980er Jahren nahmen erste Ausstellungen in der Bundesrepublik und in der DDR das Thema auf.

In den KZ-Gedenkstätten entstanden in dieser Zeit erste Denkmäler für homosexuelle NS-Opfer. Fast alle verdanken ihre Existenz dem hartnäckigen Engagement von Aktivist:innen, die den Staat und die Kommunen drängten, endlich auch der Rosa-Winkel-Häftlinge zu gedenken. Als 2008 in Berlin das zentrale Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeweiht wurde, waren fast alle Betroffenen bereits verstorben. Debatten über die Erinnerung an verschiedene Gruppen und Einzelpersonen, die von der homophoben NS-Verfolgung betroffen waren, prägen das umkämpfte Gedenken bis heute.

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„Totgeschlagen Totgeschwiegen – Den homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus“. Foto der Gedenktafel in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, 2010.
1984 wurde in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen in Österreich die weltweit erste Gedenktafel angebracht, die an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Die Inschrift verweist darauf, dass die strafrechtliche Verfolgung und Diskriminierung von Homosexuellen nach 1945 nicht zu Ende war. Der Schriftzug und die Form des Rosa Winkels wurden zum Vorbild für weitere Gedenkzeichen.
(Public Domain)
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Foto der Gedenktafel für Homosexuelle Opfer in der KZ- Gedenkstätte Dachau, 2010.
1985 ließen Münchner Schwulengruppen nach dem Vorbild aus der Gedenkstätte Mauthausen eine Tafel aus rosa Marmor mit der Aufschrift „Totgeschlagen – Totgeschwiegen. Den Homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus“ anfertigen. Diese sollte im Museum der KZ-Gedenkstätte Dachau aufgestellt werden. Aufgrund von politischen Kontroversen mit anderen Überlebendengruppen dauerte es jedoch zehn Jahre, bis die Tafel tatsächlich im Gedenkraum aufgestellt werden konnte.
(Public Domain)
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Wir gedenken der schwulen KZ-Opfer … in Dachau“. Demonstration mit Rosa-Winkel-Plakaten in der KZ-Gedenkstätte Dachau, 10. Mai 1987.
Die Münchner Schwulengruppen mussten für die Aufstellung des Gedenksteins zehn Jahre lang kämpfen. Am 42. Jahrestag der Befreiung des Lagers demonstrierten Sie auf dem Gelände des ehemaligen KZ Dachau.
(Horst Middelhoff, München / Forum Queeres Archiv München e. V.)
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Vandalismus. Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin wurde kurz nach der Einweihung das erste Mal mutwillig beschädigt, 18. August 2008.
Unbekannte zerstörten das gläserne Sichtfenster des Denkmals, wo sich küssende homosexuelle Paare zu sehen sind. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVB) protestierte dagegen.
(CC)
Weißer Gedenkstein mit dem rosa Winkelzeichen für Homosexuelle Häftlinge im Zentrum. Gravur: „Im Gedenken an die homosexuellen Männer, die hier gelitten haben. Von 1937 bis 1945 waren im Konzentrationslager Buchenwald 650 Rosa-Winkel-Häftlinge inhaftiert. Viele von ihnen kamen ums Leben" In Deutsch und Englisch.
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„Im Gedenken an die homosexuellen Männer, die hier gelitten haben.“ Denkmal in der Gedenkstätte Buchenwald, 2008.
Der Arbeitskreis Homosexualität in der Evangelischen Studentengemeinde Leipzig setzte sich bereits seit 1989 für ein Denkmal im einstigen Konzentrationslager Buchenwald ein.
Die AIDS-Hilfe Weimar griff diese Initiative auf. 2006 ließ sie einen aus privaten Spenden finanzierten Gedenkstein für die Rosa-Winkel-Häftlinge setzen.
(Foto: Katharina Brand, Gedenkstätte Buchenwald)
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„Wir haben euch nicht vergessen“. Gedenken an lesbische KZ-Häftlinge in der Gedenkstätte Ravensbrück, 29. April 2017.
Seit einigen Jahren debattieren Aktivist:innen und Forscher:innen über das Gedenken an die lesbischen Frauen und Mädchen in Konzentrationslagern. Mit Verweis auf den ausschließlich gegen Männer gerichteten § 175 argumentieren einige Schwulen-Aktivisten, dass die Verfolgung Homosexueller sich im Nationalsozialismus nur gegen Männer gerichtet habe. Frauen- und Lesbengruppen setzen sich in der Gedenkstätte Ravensbrück seit 2014 für die Erinnerung an verfolgte und ermordete Lesben ein, mehrere Gedenkzeichen wurden in Eigeninitiative gesetzt. Im Rahmen des 77. Jahrestages zur Befreiung des Frauen Konzentrationslagers wurde 2022 zum ersten Mal offiziell der lesbischen Opfer gedacht.
(CC)

„In Gedenken aller lesbischen Frauen und Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und Uckermark. Sie wurden verfolgt, inhaftiert, auch ermordet. Ihr seid nicht vergessen.“
Inschrift der offiziellen Gedenkkugel für die ermordeten lesbischen Frauen im KZ-Ravensbrück, 30. Oktober 2022. (gedenkkugel-ravenbrueck.com)

UND HEUTE?

Die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen wurden erst nach langem Ringen um gesellschaftliche Anerkennung rehabilitiert und als Opfergruppe anerkannt. Der Bundestag schaffte den Strafrechts-Paragraf 175 im Jahr 1994 endgültig ab. Niemand muss in Deutschland fürchten, inhaftiert zu werden, weil sie oder er Menschen gleichen Geschlechts liebt.

Hass und Gewalt gegen Lesben, Schwule und Trans-Personen sind jedoch weltweit nach wie vor Alltag, auch in Deutschland. In etlichen Ländern werden queere Menschen brutal verfolgt. In Staaten wie Ungarn, Polen und Russland wurden in den letzten Jahren homophobe und LGBTQ*-feindliche Gesetze verabschiedet. Die Islamische Republik Iran vollstreckt jedes Jahr Todesurteile gegen Homosexuelle.

Gleichheit vor dem Gesetz und Schutz vor Hass und Gewalt bleiben für queere Menschen fast überall auf der Welt ein bislang nicht erreichtes Ziel.

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Homophobe Morddrohung an der „Rosa Lila Villa“, einem queeren Zentrum in Wien, September 2014.
Der Kommentar „Schatzi, denk mal über die Konsequenz von nem Mord nach“ wurde durch queere Aktivist:innen angebracht.
(Türkis Rosa Lila Villa)
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Zustimmender Facebook-Kommentar von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) zu queer-feindlichen Äußerungen von Sahra Wagenknecht (Linke), April 2021.
(Facebook / Boris Palmer)
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Blumen und Kerzen zur Erinnerung an Malte C. vor dem Rathaus von Münster, September 2022.
Der 25-jährige Trans-Mann wurde bei einer Christopher-Street-Day-Veranstaltung in Münster am 27. August 2022 von einem 20-Jährigen zu Tode gestoßen, nachdem er zwei Frauen gegen lesbenfeindliche Angriffe verteidigt hatte.
(Bernd Thissen, dpa)

„Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken. Denn nur, wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft. Und wir müssen wehrhaft werden!“

Björn Höcke (AfD) auf einer Kundgebung in Erfurt, 18. November 2015. (https://www.youtube.com/watch?v=dvFJiPv93gc, abgerufen am 29.11.2022)


„Ich könnte einen homosexuellen Sohn nicht lieben. Ich werde da nicht scheinheilig sein. Ich würde es vorziehen, dass mein Sohn bei einem Unfall ums Leben kommt, als dass er hier mit einem Typen mit Schnurrbart auftaucht.“

Jair Bolsonaro, 2019 bis 2022 Präsident von Brasilien, im Gespräch mit der Zeitschrift Playboy, 2011.

„Natürlich können Schwule und Lesben zunächst einmal nichts für ihre Krankheit und niemand darf sie dafür verurteilen, doch eine Krankheit sollte nicht zur gesellschaftlichen Normalität erhoben werden, sondern den Betroffenen sollte Hilfe angeboten werden.“

Dieter Blechschmidt, CDU-Stadtrat in Plauen (Sachsen), April 2012. (queer.de).

„Ideologie steht auch hinter der politischen Förderung bestimmter Forschungszweige wie etwa der ‚Gender-Forschung‘. Es ist die Überzeugung der Thüringer AfD, dass die Etablierung von Pseudowissenschaften ein Kennzeichen totalitärer Regime, nicht aber freiheitlicher Gemeinwesen ist. Daher fordern wir die Abschaffung von als Wissenschaft getarnten Ideologieprogrammen, namentlich der ‚Gender-Forschung‘, an den Thüringer Hochschulen.“

Programm der AfD Thüringen zur Landtagswahl 2019, 18. September 2019. (https://www.afd-thueringen.de/programm/, S. 36)

Artikel 3

  1. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
  2. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
  3. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Grundgesetz, Artikel 3 in der aktuellen Fassung vom 15. November 1994.
Initiativen im Bundestag, Absatz 3 durch den Zusatz „wegen seiner sexuellen Identität“ zu ergänzen, blieben bislang erfolglos. Der letzte Satz in Absatz 3, der sich auf Menschen mit Behinderung bezieht, wurde 1994 hinzugefügt.


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