Gedenkstätte Buchenwald KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora Museum Zwangsarbeit im NS

Zwangsarbeit – Menschenversuche – Selbstbehauptung

MÖRDERISCHE ZWANGSARBEIT

Im KZ Buchenwald brachte die SS die Häftlinge mit dem rosa Winkel in den Baracken der Strafkompanie unter und isolierte sie damit von den Mitgefangenen. Schwere körperliche Arbeit im Steinbruch bestimmte ihren Lageralltag. Hunger, primitive Werkzeuge und die demütigende Behandlung durch die Bewacher erschwerten die harten Arbeitsbedingungen zusätzlich. Viele Häftlinge starben an Entkräftung oder an den Folgen von Verletzungen. Nur einzelnen gelang es, in ein besseres Arbeitskommando zu kommen und damit eine höhere Überlebenschance zu haben.

1943 löste die SS die Strafkompanie auf und brachte hunderte Homosexuelle in das Außenlager Dora. Dort mussten sie unter katastrophalen Bedingungen am Bau der Stollenanlage arbeiten. Viele starben schon nach kurzer Zeit oder wurden als „Invaliden“ in die Konzentrationslager Bergen-Belsen oder Majdanek abgeschoben.

 

„Ich bekam eine Schaufel in die Hand gedrückt, ich musste da die geschlagenen Steine mit der Schaufel zusammenraffen und dann in die Lore schaufeln. […] Das wurde alles von den Häftlingen getan, da waren immer so sechs bis sieben Personen dran an so einer Lore. […] Da ist manchmal einer zusammengebrochen, einfach liegengeblieben und die anderen sind über ihn getrampelt. So eine grausame Methode war das mit den Loren."

Bericht von Rudolf Brazda über die Arbeit im Steinbruch, 2008.(Alexander Zinn, „Das Glück kam immer zu mir.“ Rudolf Brazda – Das Überleben eines Homosexuellen im Dritten Reich, Frankfurt am Main 2011)

 

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Pierre Mania: À la carrière [Im Steinbruch], Tuschezeichnung, 1946.
Die meisten als homosexuell nach Buchenwald eingewiesenen Häftlinge mussten in der Strafkompanie und damit im Steinbruch des Lagers arbeiten. Auszehrende Schwerstarbeit prägte den Lageralltag. Bereits im Lager dokumentierten einzelne Häftlinge dies heimlich für die Nachwelt. 1944 fertigt der kommunistische Häftling Pierre Mania Skizzen der Zwangsarbeit im Steinbruch an. Nach seiner Heimkehr publiziert er sie 1946 gemeinsam mit seinem Genossen August Favier in Frankreich. (Auguste Favier, Pierre Mania: Buchenwald. Scènes prises sur le vif des horreurs nazies, Lyon 1946)
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Aufstellung des KZ Buchenwald über Häftlinge, die der Strafkompanie zugeteilt wurden, 23. Januar 1942.
In den Lagerdokumenten wurden Häftlinge der Strafkompanie als „K-Häftlinge“ bezeichnet. Auf dieser Liste finden sich vier als homosexuell kategorisierte Häftlinge, darunter auch Martin Bode. Er war erst wenige Tage zuvor „aufgrund § 175“ in das KZ Buchenwald eingewiesen worden und starb fünf Monate später.
(Arolsen Archives)
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Meldung über den Tod von Martin Bode aus dem Häftlingskrankenbau des KZ Buchenwald, 13. Juni 1942.
Martin Bode war fünf Monate zuvor in das KZ Buchenwald eingewiesen worden. Als Todesursache notierte der SS-Sanitätsdienstgrad (S.D.G.) „akute Herzschwäche“ – ein Standardeintrag bei KZ-Todesmeldungen.
(Arolsen Archives)
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Injektionsspritze mit Kanüle und einem Glaszylinder, undatiert.
Im Sommer 1942 erhöhte die SS die Arbeitszeit und setzte die Rationen herab. Davon waren vor allem die Häftlinge in der Strafkompanie betroffen. Geschwächt kamen viele als „Invalide“ in den Häftlingskrankenbau, wo SS-Ärzte sie mittels Injektionsspritzen töteten. Unter den Opfern waren viele Homosexuelle. Die Spritze wurde in den 1990er Jahren bei Grabungen im früheren Lagergelände gefunden.
(Foto: Sylvia Vogelsberg, Gedenkstätte Buchenwald, Januar 2023)

„Ungeheure Opfer zählte die Strafkompanie, die zeitweise alle Steinbrucharbeiten zu verrichten hatte. Ihre Angehörigen wohnten in geschlossenen Blocks, wurden zur Nachtarbeit herangezogen und waren auch sonst die Prügelknaben für das ganze Lager. Ein Buch ergäbe die Geschichte ihrer Leiden, ihrer Quälereien, der hunderte scheußlicher Mordtaten und Erpressungen […].“

Bericht des Internationalen Lagerkomitees über die Situation der Strafkompanie, 1949. (Gedenkstätte Buchenwald)

Das Internationale Lagerkomitee war ein Zusammenschluss vorwiegend politischer KZ-Überlebender aus mehreren Ländern.

Trinknapf von Ernst Riedel aus dem KZ Buchenwald, undatiert.
Diese Tasse gehörte Ernst Riedel (1889-1961), der von 1943 bis 1945 als Homosexueller in Buchenwald und Mittelbau-Dora inhaftiert war. Seine Häftlingsnummer „2587“ ist auf der Tasse, die in den 1970ern auf dem Gelände der Gedenkstätte Buchenwald gefunden wurde, eingraviert.
(Foto: Sylvia Vogelsberg, Gedenkstätte Buchenwald, Januar 2023)

„Da hast du immer nur Eintopf, Kartoffelsuppe bekommen und dergleichen und ich habe da, im Traum habe ich immer gedacht, jeh, ich habe von Streuselkuchen geträumt und habe ihn gegessen. Das war doch ein guter Traum gewesen, das muss ich sagen.“

„Von Streuselkuchen geträumt“. Bericht von Rudolf Brazda, 2008. (Alexander Zinn, „Das Glück kam immer zu mir.“ Rudolf Brazda – Das Überleben eines Homosexuellen im Dritten Reich, Frankfurt am Main 2011)

Dominik Černý: K. L. Dora: Prace ve štole [K. L. Dora: Arbeit im Stollen], Holzstich, 1953.
Ein großer Teil der als homosexuell kategorisierten Häftlinge, die die SS im Herbst 1943 in das Außenlager Dora transportierte, wurde beim Ausbau der unterirdischen Raketenfabrik eingesetzt. Die Bedingungen im Stollen waren katastrophal. Schwere Arbeit, aber auch Hunger, Durst und Kälte töteten zahlreiche Häftlinge. Der tschechische Überlebende Dominik Černý stellt in diesem nach seiner Befreiung angefertigten Kunstwerk die Zwangsarbeit unter Tage sowie zwei im Stollen erhängte Häftlinge dar.
(Gedenkstätte Buchenwald)

„Ich schlug Häftlinge nur, wenn es minderwertige Subjekte waren, die Homosexualität begangen hatten.“
Aussage des ehemaligen SS-Oberscharführers Wilhelm Simon in amerikanischen Dora-Prozess in Dachau, 3. Dezember 1947. (National Archives, College Park)
Als homosexuell kategorisierte Häftlinge litten besonders unter Misshandlungen durch die SS. Der Angeklagte Simon wurde in dem Militärprozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und 1954 vorzeitig aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen. Seine homophobe Gesinnung machte er auch im Gerichtsverfahren mit dieser gewaltverherrlichenden Aussage deutlich.

„HOMOSEXUELLE HEILEN“: MENSCHENVERSUCHE IM KZ BUCHENWALD

Im KZ Buchenwald nahmen SS-Ärzte pseudomedizinische Experimente an Häftlingen vor. Dabei kooperierten sie u.a. mit der Wehrmacht, der IG-Farben AG oder dem Robert- Koch-Institut. In Block 46 richtete die SS eine ständige Versuchsstation ein.

Im Herbst und Winter 1944 führte der dänische Arzt Dr. Carl Værnet, der in Prag in einem SS-Labor arbeitete, Experimente an homosexuellen Häftlingen in Buchenwald durch. Sein menschenverachtendes Ziel: homosexuelle Männer durch eine Hormondrüse „von der Homosexualität zu heilen“. Etwa 12 Häftlinge benutzte er für seine Versuche. Unterstützung erhielt Værnet von den SS-Standortärzten Dr. Gerhard Schiedlausky und Dr. Erwin Ding-Schuler.

Trotz anderslautender Behauptungen Værnets zeigen seine Hormondrüsen keinerlei „therapeutische“ Wirkung. Sie schadeten aber seinen Probanden. Mindestens ein Häftling überlebte die Menschenversuche des dänischen Arztes nicht.

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Dr. Erwin Ding-Schuler (im weißen Kittel) zusammen mit drei SS-Offizieren vor Block 50 des KZ Buchenwald, 1944.
SS-Sturmbannführer Dr. Erwin Ding-Schuler (1912-1945) leitete ab 1942 die Fleckfieberversuche im KZ Buchenwald (Block 46 und 50). Zusammen mit dem Standort-Arzt des Lagers, Dr. Gerhard Schiedlausky (1906-1947), unterstützte er auch die Menschenversuche von Carl Værnet.
(Dienst voor de Oorlogsslachtoffers, Brussel)
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Dr. Carl Værnet, undatiert.
Dr. Værnet (1893-1965) studierte Medizin in Kopenhagen. Bei einem Besuch des Instituts von Magnus Hirschfeld entstand 1932 seine These, Homosexualität ließe sich mit Testosterongaben „heilen“. In den folgenden Jahren entwickelte er dafür eine künstliche Drüse, die er 1944 homosexuellen Häftlingen in Buchenwald einsetzte. 1945 kehrte er nach Dänemark zurück und flüchtete 1946 nach Argentinien, wo er bis zu seinem Tod 1965 lebte. Für die Experimente und Medizinverbrechen wurde er nie verurteilt.
(Hans Davidsen-Nielsen et al., Carl Værnet. Der dänische SS-Arzt im KZ Buchenwald, Wien 2004)
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Baracke des Häftlingskrankenreviers im KZ Buchenwald, 1943.
Die ersten Häftlinge für die Experimente suchte Dr. Værnet bei einem Besuch des Lagers im Juli 1944 aus, weitere im Dezember. Die Häftlinge kamen zunächst für Voruntersuchungen in das Krankenrevier. Wo die Experimente genau stattfanden, ist nicht überliefert.
(Musée de la Résistance et de la Déportation, Besançon)

„Dr. Værnet bitte ich absolut großzügig zu behandeln. Ich selbst möchte monatlich einen 3-4 Seiten langen Bericht, da ich mich für die Dinge sehr interessiere. Zu einem späteren Zeitpunkt möchte ich Værnet dann auch einmal zu mir bitten.“

Befehl von SS-Chef Heinrich Himmler an den Reichsarzt-SS, Dr. Grawitz, 3. Dezember 1943. (Bundesarchiv)
An den Forschungen von Dr. Værnet war Heinrich Himmler sehr interessiert und unterstützte ihn dabei. So sollten die Versuche in einer Tarnfirma, der „Deutschen Heilmittel“ GmbH, in Prag durchgeführt werden. Auch für Experimente an Häftlingen im KZ Buchenwald erhielt Dr. Værnet Himmlers Zusage.

 

„Es war bei einem Abendappell nach der Arbeit im Steinbruch. Ich glaube, wir waren insgesamt 16, denen befohlen wurde, am nächsten Morgen in die Krankenbaracke zu gehen. Niemand ist je freiwillig zu Versuchen gegangen, denn man hatte selten gesehen, dass jemand da lebend rausgekommen war. […] Ich wurde betäubt und habe nichts gefühlt, als Dr. Værnet die Drüse in meine Leiste implantierte. Danach habe ich keine Wirkung – weder eine positive noch negative – gespürt. Das war wie ein Schlag in den Wind.“

Bericht von Gerhard S. über die Experimente, 2000.(Hans Davidsen-Nielsen et al., Carl Værnet. Der dänische SS-Arzt im KZ Buchenwald, Wien 2004)
Gerhard S. berichtete, die SS-Ärzte hätten vor dem Eingriff eine Urinprobe genommen und ihm Blut abgenommen, das in Dr. Værnets Tarnfirma in Prag untersucht wurde.

 

„Belohnung? Es gab keine Belohnung. Die größte Belohnung war, die Baracke lebend zu verlassen. Mein persönliches Gefühl zur Behandlung durch Dr. Vaernet ist vollkommen negativ. Die gesamte Behandlung hatte keinen erkennbaren Erfolg. Aber wer hat jemals die Angst aller beteiligten Häftlinge ermessen können, die durch diese Behandlung erzeugt wurde?“

Bericht von Gerhard S. über die Versuche von Dr. Værnet, 2000. (Hans Davidsen-Nielsen et al., Carl Værnet. Der dänische SS-Arzt im KZ Buchenwald, Wien 2004)
Aus Angst vor weiteren Versuchen behaupteten viele Häftlinge gegenüber dem Arzt, seine Experimente würden ihnen „helfen“. Das Versprechen, sie würden nach den Versuchen aus dem KZ entlassen, wurde nicht erfüllt.

SELBSTBEHAUPTUNG UND ÜBERLEBENSSTRATEGIE

Rosa-Winkel-Häftlinge hatten in den Konzentrationslagern nur geringe Überlebenschancen. Neben schwerster Zwangsarbeit waren sie Gewaltexzessen der SS und medizinischen Experimenten ausgesetzt. Viele Mithäftlinge standen den als homosexuell gekennzeichneten Gefangenen ablehnend gegenüber.

Die als Homosexuelle verfolgten Männer konnten sich kaum zum gegenseitigen Schutz selbstorganisieren, weil sie eine kleine und isolierte Gruppe im Lager bildeten. Dadurch waren sie im Lageralltag häufig auf sich allein gestellt. Trotzdem versuchten sie, sich gegenüber der SS zu behaupten und den Überlebenswillen nicht aufzugeben.

Überlebenswichtig war es, der mörderischen Zwangsarbeit im Steinbruch zu entgehen. Manchen gelang es, sich einem anderen Arbeitskommando zuweisen zu lassen. Nur wenige Homosexuelle gelangten auf rettende Funktionsposten.

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Häftlings-Personal-Karte des KZ Buchenwald für den als homosexuell kategorisierten Christian Lux, 1944.
Christian Lux war mehrfach nach § 175 RStGB verurteilt und im Juli 1944 in das KZ Buchenwald eingewiesen worden und musste Zwangsarbeit im Außenlager Köln-Deutz leisten. Am 28. Oktober flüchtete er während eines alliierten Luftangriffes zusammen mit 15 anderen Häftlingen, darunter dem ebenfalls als homosexuell inhaftierten Walter Glasow, aus dem Lager.
(Arolsen Archives)
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Schreiben der Gestapo-Dienststelle Hanau an das KZ Buchenwald, 10. November 1944.
Knapp zwei Wochen nach seiner Flucht aus dem Außenlager Köln-Deutz (Westwaggon) wurde Christian Lux in Hanau festgenommen. Eine Woche später überstellte ihn die Gestapo in das KZ Buchenwald. Dort nahm ihn die SS im „Bunker“ in Arrest. Am 14. März 1945, wenige Wochen nach seiner Entlassung aus dem Bunker, starb er in Buchenwald.
(Arolsen Archives)
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Fernschreiben des KZ Buchenwald an das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt und an das Reichssicherheitshauptamt, 15. November 1944.
Der Rosa-Winkel-Häftling Walter Glasow war am 28. Oktober 1944 zusammen mit Christian Lux aus dem KZ-Außenlager Köln-Deutz geflohen und hatte sich bis Erfurt durchgeschlagen. Dort lebte seine Mutter. In Erfurt stellte er sich der Gestapo und wurde in das KZ Buchenwald gebracht.
(Arolsen Archives)
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Karteikarte des KZ Buchenwald für Walter Glasow, 1944.
Nach seiner Rücküberstellung in das KZ Buchenwald wurde Walter Glasow in Arrest genommen und erhielt auf seiner Karteikarte einen roten „Fluchtpunkt“. Am 7. Dezember 1944 überstellte ihn die SS in das KZ Mittelbau-Dora. Dort verliert sich seine Spur.
(Arolsen Archives)
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Mitteilung der Verwaltung des KZ Buchenwald an das Außenlager Dora über den Versand von
Musikinstrumenten an den Häftling Curt Glass, 5. April 1944.
Curt Glass war Eigentümer einer Musikalienhandlung in Klingenthal und bis 1935 Mitglied der NSDAP. Im Herbst 1943 wurde er als Rosa-Winkel-Häftling in das Konzentrationslager Buchenwald eingewiesen und wenig später in das Außenlager Dora überstellt. Dort gelang es ihm, einen Funktionsposten im unterirdischen Raketenwerk zu bekommen, vermutlich als Gegenleistung für Musikinstrumente aus seinem Geschäft, die er für den Aufbau einer Lagerkapelle nach Dora schicken ließ.
(Arolsen Archives)

„Eines schönen Tages bin ich allein in der Sanitätsbude gewesen, als es klopfte und der Kapo hereinkam, der Legionär. Er kam auf mich zu, nahm mich in den Arm und hat mich geküsst – und hat an mir herumgefummelt. Ich muss darüber lachen. Ich habe mir das natürlich gefallen lassen, weil ich gewusst habe, dass es besser ist, wenn er an mir machen kann, was er will.“
Bericht von Rudolf Brazda, 2008.(Alexander Zinn, „Das Glück kam immer zu mir“. Rudolf Brazda – Das Überleben eines Homosexuellen im Dritten Reich, Frankfurt am Main 2011)

BEFREIUNGEN

Anfang April 1945 erreichte die US-Armee Thüringen. Die SS räumte die Lager Buchenwald und Mittelbau-Dora, fast 70.000 Menschen trieb sie Richtung Dachau, Theresienstadt oder Bergen-Belsen. Viele Häftlinge überlebten die Todesmärsche und Bahntransporte nicht.

Am 11. April erreichten amerikanische Panzer den Ettersberg und zwangen die SS in die Flucht. Politische Häftlinge übernahmen die Kontrolle über das Lager. Damit waren 21.000 Häftlinge in Buchenwald befreit. Das KZ Mittelbau-Dora wurde fast vollständig geräumt. Lediglich in den Lagern Dora und Boelcke-Kaserne blieben einige Hundert Häftlinge zurück. US-Soldaten befreiten sie am 11. April.

Die von Hunger und Zwangsarbeit gezeichneten Überlebenden, darunter eine unbekannte Zahl von Rosa-Winkel-Häftlingen, blieben zunächst in den befreiten Lagern. Trotz sofort eingeleiteter Hilfe durch amerikanische Soldaten und zivile Hilfsorganisationen starben viele noch nach der Befreiung an den Folgen der Haft. In Einzelfällen kamen Rosa-Winkel-Häftlinge auch nicht frei, sondern wurden aus den befreiten Konzentrationslagern in Gefängnisse überstellt.

„Was wird dann geschehen? Werden wir evakuiert? Aber wohin? Im Süden stoßen sie auf Halle zu ... Im Norden nähert sich eine andere Angriffsspitze Hannover. Richtung Osten? Sicher nicht weit, denn 300 Kilometer von uns entfernt ist die russische Front. Wir haben große Furcht vor der Evakuierung, denn wir wissen, wie diejenigen aus Auschwitz und Groß-Rosen während des Transportes gelitten haben.“
Tagebucheintrag von Emile Delaunois, 1. April 1945. (KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)


Je näher die Befreiung rückte, desto unsicherer wurde die Lage für alle Häftlinge. Sie fürchteten Todesmärsche und Massaker durch die SS. Emile Delaunois (geboren 1910 als Louis Lelong), war Schreiber im Außenlager Woffleben des KZ Mittelbau-Dora. Er starb kurz nach der Befreiung im KZ Bergen-Belsen.

„Die Leute wurden dann aus den Blöcken geholt und aufgestellt, in den Straßen, zum Abmarsch, hat es geheißen. Ich hab‘ gedacht, was mach‘ ich. Ich hatte eine gute Verbindung mit einem Kapo, der den Viehstall, den Schweinestall benutzte. Der hat gesagt: ‚Komm doch zu mir, zu mir werden die zuletzt kommen, wenn sie etwas wollen. Da kann ich dich verstecken, in dem Schweinestall.‘ Und ich habe natürlich nicht Nein gesagt. […] Er hat mich versteckt, bei den Schweinen, da war ein Käfig drin gebaut worden, mit sauberem Stroh, dort habe ich dann in dem Stroh gelegen.“

Bericht von Rudolf Brazda über die Tage vor der Befreiung im KZ Buchenwald, 2008. (Alexander Zinn: „Das Glück kam immer zu mir“. Rudolf Brazda – Das Überleben eines Homosexuellen im Dritten Reich, Frankfurt am Main 2011)

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Häftlinge im Krankenrevier des befreiten KZ Mittelbau-Dora, April 1945.
Der Belgier Gilbert Demoulin (Vordergrund) war als politischer Häftling inhaftiert worden. Trotz aufopferungsvoller Pflege durch amerikanische Sanitäter starb er am 28. April 1945 an den Folgen der KZ-Haft.
(Centre des Recherches et d’Etudes historiques de la Seconde Guerre Mondiale, Brüssel)
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Messer von Rudolf Brazda aus dem KZ Buchenwald.
Aus der ehemaligen SS-Kaserne nahm sich der als homosexuell inhaftierte Rudolf Brazda ein Messer als „Andenken“ mit, welches er bis zu seinem Tod aufbewahrte. Heute wird es in der Sammlung der Gedenkstätte Buchenwald aufbewahrt.
(Gedenkstätte Buchenwald)
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Rudolf Brazda (links) und der mit ihm befreundete Fernand Beinert (rechts) nach der Befreiung vor einem der Wachtürme in Buchenwald, nach dem 11. April 1945.
Rudolf Brazda gelang es die fast dreijährige Haft im Konzentrationslager Buchenwald zu überleben. Mehrfach wurde er in dieser Zeit von Kapos geschützt oder unterstützt. Fernand Beinert lernte er im Lager kennen. Nach der Befreiung gingen beide nach Frankreich. Später lernte Rudolf Brazda dort seine große Liebe Edi kennen.
(Foto: Alfred Stüber, Gedenkstätte Buchenwald)
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Vorläufiger Ausweis für Günther Thiel, 22. Juni 1945.
Da die Überlebenden keine offiziellen Dokumente mehr besaßen, erhielten sie von der US-Armee provisorische Ausweise, die ihre Identität und die Haft im KZ Buchenwald bestätigten. Günther Thiel war 1943 in das KZ Buchenwald verschleppt und als „homosexuell“ registriert worden.
(Arolsen Archives)
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Aus dem befreiten KZ Bergen-Belsen ins Zuchthaus: Aufnahmebogen des Zuchthauses Celle für Artur Bielemann, 30. April 1945.
Nach der Verbüßung von zwei Haftstrafen wegen § 175 war Artur Bielemann 1943 in das KZ Dachau eingewiesen und von dort 1944 in das KZ Mittelbau-Dora überstellt worden. Er überlebte einen Todesmarsch in das KZ Bergen-Belsen und wurde dort am 15. April 1945 befreit. Zwei Wochen später überstellten ihn die Briten in das Zuchthaus Celle, obwohl seine Gefängnisstrafen seit 1943 verbüßt waren. Erst im Januar 1946 kam er frei.
(NLA Hannover, Nds. 761 Celle, Acc. 2013/12 Nr. 213)
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„Häftling…X…in der Hölle auf Erden“. Bericht von Udo Dietmar, veröffentlicht im Thüringer Volksverlag Weimar, 1946.
Unter dem Pseudonym Udo Dietmar diktierte der ehemalige Häftling Walter Paul schon wenige Tage nach seiner Befreiung in Buchenwald einen Bericht über seine Erlebnisse in den Lagern Natzweiler, Dachau und Buchenwald. Dieser wurde 1946 als eines der ersten Zeugnisse der Lager in der Sowjetischen Besatzungszone veröffentlicht. Dass er als Homosexueller inhaftiert worden war, verschwieg der Autor in dem Buch. Er hatte Diskriminierung und weitere Strafverfolgung zu befürchten. Erst Jahrzehnte später wurde sein richtiger Name bekannt.
(Gedenkstätte Buchenwald)

„Wir sind in die Häuser rein und haben alles rausgenommen, was uns gefallen hat. Kameraden von mir haben eine Frau angehalten und haben der vier Brote gegeben. Und die hat denen einen großen Leiterwagen gegeben. Den haben sie dann vollgepackt mit den ganzen gestohlenen Sachen, Lebensmittel, Grammophone, Geigen alles Sachen, wo sie gedacht haben, das könnten sie jetzt gut verkaufen als ‚Andenken‘ aus Buchenwald, damit sie ein bisschen Geld zum Unterhalt haben.“

„Andenken“ aus Buchenwald. Bericht von Rudolf Brazda über seine Erlebnisse nach der Befreiung, 2008. (Alexander Zinn, „Das Glück kam immer zu mir“. Rudolf Brazda – Das Überleben eines Homosexuellen im Dritten Reich, Frankfurt am Main 2011)

 

 

 

 

 


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